Spaziergangstagebuch 2

03.11.2021

Vom Waschsalon am Sandweg durch die Wallanlagen zum Literaturhaus und zurück.

Es war nur ein kurzer Spaziergang, gerade lange genug, um die 40 Minuten zu überbrücken, die Maschine Nr. 6 benötigt meine Wäsche zu waschen. Ein herbstlicher Tag mit leichtem Nieselregen. Nichts was mich davon abhalten könnte, ein wenig herumzugehen. Nach Kurzem komme ich am schönen Wirtshaus Mosebach vorbei. Ich müsste mal wieder hingehen, denke ich. Es ist lange her seit meinem letzten Besuch dort, die Qualität war immer gut. Ein kleines, auf Holz gemaltes Bild wurde freigelassen und dient jetzt an der Wand als Streetart. In einer Einfahrt beseitigt eine Frau mittels eines Bläsers das feuchte Laub. Das Café Maingold an der Zeil 1 hat wieder geöffnet. Wegen akuten Personalmangels in allen Bereichen hatte es einige Wochen geschlossen.

An einer Hauswand am Allerheiligentor prangt formatfüllend der riesige Schriftzug „WIR SIND ALLES FRANKFURTER“. Was soll das „S“ da, frage ich mich. Das gleichnamige Innenstadtviertel, das bislang durch Dönerläden neben Pornobuden, Gewalt, Drogen und Autoposern geprägt ist, soll so „aufgewertet“ werden. Gleichwohl wohnen viele Alteingesessene gerne in ihrem Viertel. Das „Main Yard“ genannte Projekt soll die altbekannte Mischung aus Wohnen, Gastronomie und Shopping bieten und die etwas verrufene Gegend „aufwerten“. Es ist die beginnende Gentrifizierung auch dieses Quartiers. In den Wallanlagen, – sie folgen dem Verlauf der früheren Stadtmauer, auf dem Stadtplan lässt sich das gut sehen – liegt nasses Laub auf den Wegen. Alles hier ist Herbst. Ich liebe es. Der Spielplatz verwaist. Zwei Jungs spielen mit einem Einkaufswagen. Als das Interesse erlischt lassen sie ihn zurück und ziehen weiter. Alles unter dem strengen Blick Lessings. Einige Gänse mit schwarzem Hals spreizen merkwürdig das Gefieder. Zuhause schau ich nach, es waren Kanadagänse. Der Brunnen im Rechneigraben genannten Teich schießt weiterhin fröhlich Fontänen in die Höhe. Vor über 200 Jahren diente dieses Gewässer als Löschwasserreservoire. Ein unsichtbares Rotkehlchen trällert aus dem Nest.

Am Literaturhaus kehre ich um. Wie lange schon bin ich dort nicht mehr gewesen. Ein kleiner weißer Hund trollt über die Wiese und Wege. Er schnüffelt am Wegesrand. Seit einem Biss in der Kindheit habe ich einen gewissen Respekt vor Hunden und spaziere über die feuchte Wiese um auf der anderen Seite weiterzugegehen. Dann entdeckt der kleine Hund einen Dackel und findet den interessanter. Ich kehre zurück auf meinen ursprünglichen Weg. Auf einer Bank sitzt ein Mann und füttert Enten, Gänse und Tauben. Nach 45 Minuten bin ich zurück. Die Wäsche ist fertig.