Post von der PARTEI

Der Brief, der mich heute erreichte, versetzte mich, aufgrund der Adresse seines Absenders, in eine leicht melancholische Gemütslage – er stammt aus der Kopischstraße 10 in 10965 Berlin. Für Ortsunkundige, das ist Kreuzberg. Die Kopischstraße ist eine der kürzesten Straßen Berlins, eine höhere Hausnummer als die 10 gibt es dort nicht. Die Kopischstraße besteht also aus genau zehn Häusern und sie liegt in ein einer der schönsten Gegenden Berlins. Viel schöner kann man meiner Meinung nach in Berlin nicht wohnen. Unweit liegt der Chamissoplatz und Touristen wird immerhin die nahegelegene Flaniermeile Bergmannstraße ein Begriff sein. Der ehemalige Flughafen Tempelhof – jetzt Tempelhofer Park – ist fußläufig erreichbar. Ebenso fußläufig erreichbar ist das beste und schönste italienische Restaurant deutschlandweit, von dem ich aber nicht mehr verrate, es ist recht klein und ohnehin immer zu voll.

In einem dieser zehn Häuser der Kopischstraße habe ich 23 Jahre lang gewohnt, in der Nr. 1. Die Miete für die knapp 56 qm, Vorderhaus, Innentoilette, Ofenheizung, fliessendes kaltes Wasser, betrug damals DM 184,02. Benannt ist die Kopischstraße nach dem Dichter August Kopisch (1799 – 1853), und der hat immerhin die Heinzelmännchen zu Köln erfunden. Aber das nur nebenbei.

Als ich dort einzog hatte noch niemand von Gentrifizierung gehört und mit dem zentralen Anliegen der Partei, Die PARTEI, „Wir bauen die Mauer wieder auf“ wäre allenfalls nacktes Unverständnis, keineswegs aber ein Blumentopf, zu gewinnen gewesen.

In der Kopischstraße 10 residiert schon seit einigen Jahren das Berliner Büro des TITANIC Verlags, die Hausnummer 1 liegt schräg gegenüber. Ich hätte also dem TITANIC Büro Kirschkerne ans Fenster spucken können, würde ich Kirschen essen.

Der Brief, den mir das TITANIC Büro in der Kopischstraße 10 geschickt hat, enthielt einen Formbrief des Bundesverbandes der Partei, Die PARTEI. Dort wurde mir – „Liebes Parteimitglied“ – mitgeteilt, dass meinem Aufnahmeantrag stattgegeben wurde und mir mein NEUER PARTEI-Ausweis zugesand, Mitgliedsnummer 7562. Der Mitgliedsausweis kommt als Passepartout daher, mit ihm dürfe man überall durch.

Ferner wurde ich aufgefordert, doch bitte den Mitgliedsbeitrag von € 10,- auf das Konto ****** bei der Bank ****** zu überweisen. Auch Spenden gegenüber sei man durchaus positiv eingestellt.

Liebe PARTEI, meinen Mitgliedsbeitrag habe ich bereits am 01.11. 2010 im Satirelandgasthof Klabunt zu Frankfurt-Bornheim in bar bei Herrn Jan S., dem „Politischen Geschäftsführer“ des Landesverbandes Hessen beglichen. Sie könnten argumentieren, das sei der Beitrag für das vergangene Jahr gewesen, aber ich war im letzten Jahr gar kein PARTEI-Mitglied, wie ich in meinem Brief vom 05.01.2011 an Herrn Christian Sch., dem Vorsitzenden des Landesverbandes Hessen, dargelegt habe. In diesem Brief sprach ich auch von meinem schwindenden Interesse, überhaupt noch PARTEI-Mitglied zu werden. Ich zitiere:

„Wenn ich Sie also, verehrter Herr Sch., bitten dürfte, mir auf irgendeine Art zu bestätigen, das ich kein Mitglied der Partei, Die PARTEI, Landesverband Hessen, bin, und auch nie war, dann wäre ich Ihnen sehr verbunden.“

Nun gut, jetzt bin ich Mitglied mit einer Nummer, kann also wieder austreten. Aber vorher teste ich noch den Ausweis auf seine Passepartout-Fähigkeiten. Vielleicht gewährt der Herr K. vom Satirelandgasthof Klabunt gegen Vorlage dieses Ausweises ja doch noch 10% Rabatt auf alles. Obwohl, das ist mehr als unwahrscheinlich.