Spaziergangstagebuch 7

13.02.22

Eine runde Sache. Von Bornheim, durch die Gartensiedlung Riederwald, das Enkheimer und Berger Ried nach Bergen und über den Lohrberg und durch Seckbach zurück nach Bornheim.

Der Sinn stand mir eher nach Couch als nach Spaziergang. Ich hatte hundsmiserabel geschlafen und war sehr müde. Das Wetter sprach jedoch eine andere Sprache. Sonne, fast wolkenlos. Also überwand ich den Schweinehund, zog die Schuhe an und stiefelte los. Klarer Himmel, die Sonne hatte schon etwas Kraft, der Frühling streckte seine Fühler aus. Ich ließ mich gerne einfangen. Klare Luft, weiter Blick. Im Norden sogar die Windräder der Hohen Straße zu erkennen. Wie oft bin ich dort schon vorbeigeradelt. Das Radfahren darf in diesem Jahr nicht wieder zu kurz kommen, wie im letzten. Ich ging nach Osten, zunächst am Bornheimer Hang das Stadion des glorreichen Viertligaclubs FSV Frankfurt passiert. Einige Jahre hatte der Verein in der zweiten Liga gespielt, da war ich gelegentlich auch mal im Stadion. Als Knirps spielte ich auch mal Fußball, bei Germania 94 in Sachsenhausen. Immer wenn ich nicht wusste, wohin mit dem Ball, und das war meistens so, spielte ich ihn ins Aus. Ich habe wohl auch nur einmal gespielt, weiß auch nicht mehr, ob ich später noch zum Training gegangen bin. Vielleicht hatten meine Eltern ein Einsehen und gemerkt, dass Fußball nichts für mich ist. Eventuell hat sich damals schon meine Abneigung gegen Vereine und regelmäßiges Training entwickelt. Eine Amsel scharrt im trockenen Laub.

Ich entfliehe der grässlichen Straße Am Erlenbruch und tauche ein in die schöne Gartensiedlung Riederwald, bis sie mich am Torhaus wieder ausspuckt. Mir lief leicht die Nase. Ich hatte aber tatsächlich Taschentücher vergessen und fragte mich, wie das passieren konnte. Seit Tagen ist meine Nase im Dauerlaufmodus. Nun gut, es war so.

Eine rot-weiss gestreifte Schranke markiert den Eingang zum Enkheimer Ried. Die nächsten Kilometer geht es nur durch Natur. Vor ungefähr einem Jahr war ich zum ersten Mal hier, auch in dieser Jahreszeit. Kahle Äste überall, die aber einen weiten Blick gestatten. Eine einsame Schaukel baumelt an einem Ast. Radfahrer überholen mich, ich gehe auf der Strecke nach Maintal und weiter nach Hanau. Bald werde ich hier mal mit dem Rad entlangfahren. Das Enkheimer Ried ist Teil des Grüngürtels rund um Frankfurt. Innerhalb des Grüngürtels fallen immer wieder sehr lustige Skulpturen auf, für die Künstler der Neuen Frankfurter Schule verantwortlich zeichnen. Hier wacht in luftiger Höhe die dicke, grüne Raupe von F.K Waechter. Vor einem Jahr bin ich achtlos drunter hergegangen. Weitere bekannte Exponate sind das Ich-Denkmal von Hans Traxler kurz vor der Gerbermühle am Main oder das Grüngürteltier von Robert Gernhardt an der Nidda. Achim Frenz, der Leiter des Caricatura Museums in Frankfurt, schrieb einst in einem Facebook-Kommentar, ohne die Spaziergangswissenschaft, die der Schweizer Soziologe Lucius Burckhardt entwickelt hat, würde es die komische Kunst im Grüngürtel nicht geben.

Das Enkheimer Ried ist ein Paradies für Vögel. Ich lerne, dass Nachtigallen Bodenbrüter sind, weshalb Hunde an der Leine zu führen sind. Der starke Regen der letzten Zeit hat überall seine Spuren hinterlassen. Ein Familie mit kleinem Kind trottet lautstark den Weg entlang. Ich beeile mich, Distanz zu ihnen zu gewinnen. Der Regen der letzten Tage hat überall seine Spuren hinterlassen. Aus dem Gehölz ragt der niedrigste Hochsitz, den ich jemals gesehen habe. Ein Stück weiter taucht rechterhand ein kleiner See auf, der mir, ähnlich der Dicken Raupe, im letzten Jahr auch entgangen war. Auch hier war Unachtsamkeit der Grund. Der Weg endete dann. Ich stand vor einer Straße und einer Baustelle. Wo war ich? Das Navi leitete mich auf den rechten Weg zurück. Es war nicht weit. Ich hatte mich verlaufen, dabei aber einen mir bislang unbekannten See entdeckt.

Die Zahl der Sonntagsspaziergänger wächst. Ein unsichtbarer Specht trommelwirbelt durch den Wald, Rechts mündet der Nachtigallenweg, der Riedweiher liegt ruhig. Ich verlasse das Enkheimer Ried und überquere die imaginäre Grenze zum Berger Ried. Auf dem Hügel thront Bergen, die bessere Hälfte von Bergen-Enkheim. Von nun an geht`s bergan, auf teils schlammigen Wegen.

Der Blick ist frei, über Skyline bis Stadtwald. Winzig ragt der Goetheturm empor. Dahinter der Odenwald, im Osten das Kraftwerk bei Hanau und am Horizont die Ausläufer des Spessart. Leider muss ich den Weg verlassen und der Straße nach Bergen bergan folgen. Am Straßenrand ein „Unfalldenkmal“. In der FR lese ich am nächsten Tag, dass es eine temporäre Aktion ist, zur Mahnung an Autofahrer, sich an Geschwindigkeitsgrenzen zu halten. Initiiert von irgendwelchen BFF Leuten, was mich sofort stutzig macht. Sinnlos wohl auch, denn lesen können die mahnenden Hinweise nur Fußgänger und von denen gibt`s hier nicht viele. Die meisten brettern mit Autos vorbei und werden die Installation wohl kaum wahrnehmen. In einem Vorgarten ein Wegweiser, der die Entfernung nach Berlin anzeigt. Sehnsuchtsvolle Gedanken, ich muss wohl bald mal wieder hin. An der Marktstraße kaufe ich mir beim Wasserhäuschen ein Bier. Wegbier gehört normalerweise nicht zu meiner Ausstattung, aber ich habe Durst und es schmeckt. Bald bin ich auf dem Lohrberg und werde mit einem beeindruckenden Ausblick belohnt. Ein Mann mit Helm schlängelt sich auf einen elektrischen Skateboard über die Wege. Wieso? Die Lohrbergschänke erwartungsgemäß dicht belagert. Ich gehe weiter durch eine Kleingartensiedlung bergab nach Seckbach. Eine gute Freundin hatte dort einst einen Garten. Ich war einmal da, wir haben in der Sonne Tee getrunken. Die Autobahnbrücke ist das wenig attraktive Tor nach Bornheim. Ein Stück am Bornheimer Hang, ich nähere mich meinem Ausgangspunkt. Frühlingsboten sprießen am Wegesrand. In der Gaststätte Weida gönne ich mir ein weiteres Bier. Ein schöner Spaziergang endet und ich bin froh, den Verlockungen der Couch nicht erlegen zu sein