Spazieren an einem herrlichen Herbsttag

Jahrelang habe ich das Quartier zwischen Ostpark und Wittelsbacherallee, rund um den Parlamentsplatz, im Frankfurter Ostend buchstäblich links liegen gelassen, obwohl es zu meiner unmittelbaren Nachbarschaft zählt. Meine regelmäßigen und häufigen Wege führten mich immer in die andere Richtung, zum Günthersburgpark oder in das Nordend, gelegentlich auch durch die Berger Straße, aber immer Richtung Innenstadt. Bis ich vor einigen Monaten erstmals durch diese bisherige Terra Incognita spazierte. Es gefiel mir, unspektakulär, eine ruhige Wohngegend mit dem einen oder anderen interessanten Gebäude. Mein Frankfurt ist durch diesen Spaziergang etwas größer geworden.

Eigentlich hatte ich Lust auf einen faulen Tag zuhause, mit Lesen, Musik hören, Kochen. Das Wetter machte mir jedoch einen Strich durch die Rechnung. Der Tag empfing mich mit herrlichstem Herbstwetter, Sonne, strahlend blauer Himmel, klare Luft, recht kühl. Das lies mir keine Wahl, Schuhe schnüren, herumgehen, Kopf lüften. Nach wenigen Minuten spazierte ich zum zweiten Mal in diesem Jahr durch die Gagernstraße im Ostend. Auffallend die breiten Gehwege, ist in Fankfurt ja nicht allzu oft anzutreffen. Es waren nur sehr wenige Passanten unterwegs, ich konnte problemlos auf die Maske verzichten. Auch Autos störten kaum die Ruhe. Ich genoss die Stille und betrachtete die teilweise recht schmucken Häuser. Hinter dem unscheinbaren Parlamentsplatz wandte ich mich nach links, bei nächster Gelegenheit wieder nach rechts. Wenn ich irgendwo gerne wohnen würde, dann am Röderbergweg im Frankfurter Ostend und zwar in vorderster Reihe. Grzimek soll hier irgendwo gewohnt haben. Der Blick ist sensationell.

Blick nach Nord-Westen

Nach Süd-Osten schweift der Blick, über Offenbach und Hanau, bis zum Odenwald. Im Nord-Westen ist am Horizont der Stadtwald auszumachen und dort ragt tatsächlich der neue Goetheturm aus den Wipfeln. Dieses wahre Frankfurter Wahrzeichen, das von Idioten abgefackelt wurde und jetzt endlich wieder nachgebaut ist. Mein Frankfurt ist wieder komplett. Und an den alten Turm habe ich noch reichlich Kindheitserinnerungen, die kann mir niemand abfackeln. Selbst den Geruch nach Harz und Holz habe ich noch im olfaktorischen Gedächtnis. Das allerdings wird der neue nicht können, noch nicht. Ich muss ihn mir auf jeden Fall bald aus der Nähe ansehen. Und dort, am Röderbergweg, habe ich ihn erstmals wieder gesehen. Mein Herz hüpfte vor Freude.

Immer der Nase nach, durch bislang unbekanntes Gebiet, vorbei an der schönen, mir bislang aber unbekannten Luxemburgerallee, landete ich bald am Ostbahnhof.

Luxemburgerallee

Und dort, ich hatte davon gelesen und natürlich wieder vergessen, eine Wagenburg. Alte Camping- und Bauwagen standen dicht gedrängt am Bahndamm. Unmittelbar fühlte ich mich nach Berlin und Kreuzberg zurückversetzt. Das wurde verstärkt durch Transparente mit dem Besetzerzeichen und vertrauten Forderungen „Frankfurt besetzen“. Außerdem „Ihr baut Mist“ (o.s.ä.). Angesichts der benachbarten Neubauten eine nachvollziehbare Bemerkung. Ich war begeistert von meinem Spaziergang, hatte so viel Neues gesehen in kurzer Zeit.

Wagenburg

Weiter zum Main. An der Osthafenbrücke wieder der Goetheturm, jetzt etwas größer.

Osthafenbrücke mit Goetheturm

Auch am Mainufer war es kein Problem auf die Maske zu verzichten, es waren nur wenige Leute unterwegs. Ich spazierte der untergehenden Sonne entgegen und konnte mich nicht satt sehen am Licht und den herbstlich leuchtenden Bäumen.

Mainufer

Auf der gegenüberliegenden Mainseite das Literaturhaus Frankfurt, dahinter der Schwesternwohnturm des Hospitals zum Heiligen Geist, der das Literaturhaus fast erdrückt. Dieses, tatsächlich unansehnliche, Gebäude hat mich dazu gebracht, über Hässlichkeit in der Stadt nachzudenken. Meinen früheren, spontanen Gedanken ABREISSEN! überdenke ich mittlerweile. Ich habe gelernt, dass auch diesen Gebäuden mit Respekt begegnet werden muss. Stadt braucht Hässlichkeit. Vielleicht irgendwann mehr dazu.

Literaturhaus mit Turm des Hl. Geist Hospitals

Weiter am Main, die Skyline bestimmt das Bild. Ich wechsle jedoch über die Alte Brücke auf die andere Seite, von Dribbdebach nach Hibbdebach. Dort steht sie wieder, am angestammten Platz, die Statue Karls des Großen, in Sandstein. Es handelt sich um eine Kopie, das Original befindet ich im wunderbaren Historischen Museum. Der Original-Karl ist wohl auch noch im Besitz eines Schwerts, was der Doppelgänger nicht von sich behaupten kann. Das Schwert, das Karl auf der Brücke stolz und auch durchaus Respekt fordernd, himmelwärts richtete, war wohl ein beliebtes Souvenir. Daher wurde der Kaiser regelmäßig entwaffnet, letztmals im August 2020. Und so steht er da, der stolze Kaiser, ähnlich dem Ritter der Traurigen Gestalt, als „Karl ohne Schwert“ (Michael Quast).

Karl ohne Schwert

Durch die Wallanlagen spaziere ich zurück gen Bornheim, den Kopf voller Bilder und Gedanken, und erstmals in den zwanzig Jahren, die ich jetzt hier lebe, denke ich, wie interessant, abwechslungsreich, spannend und durchaus aufregend diese kleine Stadt doch sein kann.

Wallanlage

In Bornheim ging ich in meiner Kneipe ein Bier trinken (ich darf das, ich arbeite da und habe einen Schlüssel) und blickte auf einen wundervollen Tag zurück.

Was bedeutet Kochen und Essen im Alltag für Dich?

Teil zwei des Blogstöckchens „Die Welt auf dem Teller“, das Wibke Ladwig in den Ring geworfen hat.

Ich schreibe dies, nachdem ich was vom Vortag aus dem Kühlschrank in die Pfanne geworfen, aufgewärmt und lustlos verzehrt habe. Also, ich hatte weder Lust zu kochen noch zu essen. Es musste sein, ich hatte Hunger. Es hat nicht so besonders geschmeckt, aber ich war satt und musste nichts wegwerfen.

Ansonsten ist die Frage eine schwierige und komplexe, die ich nicht eindeutig beantworten kann. Vielleicht sollte ich vorausschicken, dass ich nicht kochen kann. Niemand hat es mir beigebracht. Daher passt die oben erwähnte Speise ganz gut zu mir.

Zu oft habe ich Sachen verbrennen oder verkochen lassen. Ich lasse mich zu gerne ablenken. Wenn die Spaghetti zum Beispiel köcheln, ebenso die Soße im Topf, lasse ich mich auch mal verleiten, an den Computer zu gehen. Es könnte ja was passiert sein. Dann lese ich mich irgendwo fest, bis ich mich an das Essen auf dem Herd erinnere. Meist sind dann die Nudeln verkocht und die Soße angebrannt. Dergleichen ist mir schon relativ häufig passiert. Das landet dann im Müll und ich mache Spiegeleier.

Oft habe ich keine Lust zu kochen. Dann geh ich zum Italiener und ess ne Pizza. Gelegentlich mag ich auch nicht essen, spüre nur die Notwendigkeit. Wenn ich zu faul zum Kochen bin, aber doch was essen will, aber nicht schon wieder zum Italiener (kostet ja auch immer Geld), begnüge ich mich oft mit Käse, Baguette oder Grissini und Rotwein. Ein paar Oliven ergänzen das karge Mahl. Außerdem erinnert mich das an Frankreich. Das empfinde ich als ungemein entspannend. Gute Musik dazu, das hat was. Oder ich mache mir eine Fischkonserve auf. Habe ich immer da, Ölsardinen, Thunfisch, Makrelen. Alles köstlich. Außerdem lässt sich aus Thunfisch mit ein paar Tomaten, Zwiebeln und Knoblauch auch mal schnell eine leckere Spaghettisoße basteln. Geht natürlich auch ohne Thunfisch.

Käse und Rotwein

Vielleicht muss ich sagen, dass ich alleine wohne. Ich kann nicht für nur eine Person kochen, es sei denn Spaghetti Aglio e Olio, mein geheimes Lieblingsgericht. Aber selbst das misslingt mir gelegentlich. Ich koche immer zu viel. Mein Gefrierfach ist voll mit Tupperdosen, in denen irgendwas drin ist. Was das ist, muss ich oft raten, denn ich beschrifte die Behälter nicht. Für mich alleine zu kochen ist kein Problem, das kenne ich schon lange. Und jetzt komme ich zum ersten Teil der Frage.

Seit dem ersten Shutdown im Frühjahr 2020, habe ich viel öfter gekocht. Das Beste was ich tun konnte. Nicht die schlechteste Art, sich die Zeit zu vertreiben. Irgendwann hat sich daraus die Improvisationsküche entwickelt. Die Ergebnisse poste ich auf Facebook. Es gibt Leute, denen gefällt das. Die Improvisationsküche macht wirklich viel Spaß. Sie heißt so, weil ich mich nicht zum Sklaven von Rezepten mache. Wenn ich mal was wissen will, dann frage ich beispielsweise auf Twitter, ob Knoblauch besser geschnitten oder gepresst werden soll. Die Antworten waren eindeutig, geschnitten. Seitdem mache ich das nur noch so. Durch die Improvisationsküche lerne ich. Wenn was schief geht, dann weiß ich mittlerweile, wieso es schief ging und was ich beim nächsten Mal besser machen muss. Ich traue mich in der Improvisationsküche auch gerne an bislang unbekannte Speisen. Irgendwann stieß ich zufällig auf Hähnchenpiccata. Ich hatte das noch nie gehört, es klang aber verlockend. Also habe ich es ausprobiert, es ist gelungen und war köstlich. Ein Fest.

Kochen ist aber weit mehr als der eigentliche Vorgang in der Küche. Kochen heißt auch, zu überlegen was ich zubereiten will. Und Kochen heißt natürlich auch immer Einkaufen. Ich habe mir inzwischen angewöhnt, fast alles auf Märkten zu besorgen, bei Erzeugern aus der Region. Und dann bevorzugt bei Biobetrieben. Es ist aber noch mehr als das Besorgen. Ich gehe immer zu Fuß auf die Märkte. Die sind in der Innenstadt, an der Konstablerwache oder in der Schillerstraße. Der Markt bei mir um die Ecke interessiert mich nicht, der liegt zu nah. Ich brauche das Spazieren. Alles gehört zusammen. Oft schleppe ich zwei volle und auch recht schwere Stoffbeutel nach hause, in der Umhängetasche noch eine Flasche Riesling vom Winzer auf dem Markt. Aber ich mache das gerne, es gehört dazu. Zuhause werden die Schätze in der Küche ausgebreitet. Und dann wird irgendwann angefangen zu kochen. Zunächst muss jedoch der richtige Wein im Glas sein, und, ganz wichtig, die passende Musik ausgewählt (früher habe ich zum Beispiel sehr gerne Frank Zappa beim Kochen gehört). Dann ist alles bereit. Vom Spazieren, über den Einkauf auf dem Markt, hin zum Schnibbeln und Zubereiten bis zum Wein und der Musik, all das gehört zusammen. Oft rundet das Ganze ein Espresso und ein Schnaps ab. Nicht zu vergessen der Abwasch, denn ich habe keine Spülmaschine. Das ist Kochen für mich. Und wenn das Ergebnis auch noch schmeckt, umso besser. Das kommt so etwas wie Glück sehr nahe. Da ich den esoterischen Begriff „ganzheitlich“ hasse, ist es für mich einfach eine runde, sehr beglückende Angelegenheit.

Küchenecke

Vor Kurzem habe ich angefangen, Gäste in meine Improvisationsküche einzuladen. Immer nur einen oder eine. Wir leben schließlich in Zeiten der Pandemie. Die Gäste gehen ein gewisses Risiko ein, weil ich ja nie weiß, ob es halbwegs gelingt oder nicht. Sind dann halt auch Versuchskaninchen. Zur Not bleiben immer noch Spiegeleier, Käse oder Thunfisch. Bislang waren sie aber immer zufrieden.

Essen ist etwas völlig anderes. Vor allem alleine essen. Essen geht zu schnell. Mein Vater sagte immer, zwei Stunden gekocht, in zehn Minuten gegessen. Wenn es schmeckt und ich habe es zubereitet, klar, siehe oben. Im Grunde finde ich Essen lästig, es muss halt sein. In Gesellschaft ist das was anderes. Das macht Spaß. Ein gutes Gespräch beim Essen mit einem oder mehreren lieben Menschen ist natürlich immer ein wunderbares Erlebnis. Natürlich ganz besonders wenn es schmeckt.

Meine Essgewohnheiten haben sich auch verändert im Laufe der Zeit. In jüngeren Jahren war das Frühstück immer die wichtigste Mahlzeit des ganzen Tages für mich. Da habe ich den Tisch gedeckt, bin losgelaufen, habe Brötchen und Zeitung geholt und diesen Tagesauftakt tatsächlich genossen und zelebriert. Dazu sollte ich wohl sagen, dass ich nichts zu Mittag esse. Ich frühstücke und später gibt es Abendessen. Zwischendrin etwas Obst oder auch was Süßes. Meine Frühstücksgewohnheiten haben sich mittlerweile komplett geändert, was vielleicht auch daran liegt, dass ich keine Lust habe, morgens, verschlafen, das Rad aus dem Keller zu holen um bei einem guten, aber entfernten Bäcker Brötchen zu holen. Ich habe Brot vom Markt, decke keinen Tisch mehr, sondern schmiere mir Brote in der Küche während der Tee zieht. Jeden Tag dasselbe, mehr oder weniger.

Eine Ausnahme muss ich machen zu Rezepten und Kochbüchern. Vor vielen Jahren habe ich gerne Sachen aus der „Kräuterküche“ von Maurice Mességué ausprobiert. Oft so kompliziert, dass ich auf Anleitungen angewiesen war. Meine Hits waren z.B. Kaninchen in provenzalischer Kapernsauce oder Hähnchen in Estragonsauce. Ich sollte mich vielleicht mal von Mességué zu Improvisationen inspirieren lassen.

Mal sehen, was ich am Donnerstag auf dem Markt kaufe.

Keep On Cooking In A Free World.