Ein besonderer Ort – Die Mosaik Jazz- und Chansonbar

Zwischen Saalburg- und Wittelsbacher Allee im Frankfurter Stadtteil Bornheim liegt das Quartier um Freiligrath-, Mainkur- und Fechenheimer Straße. Eine etwas abgelegene Gegend in die sich hauptsächlich Menschen verirren, die auch dort wohnen. Weiter als bis zur Ecke Mainkur- und Ringelstraße kommt kaum jemand. Dort ist Endstation für alle die aus Richtung der lebhaften Berger Straße kommen, die Hungrigen, Durstigen, Feierwütigen und Einsamen der Nacht. Hier liegen die Nacht-, Trinker- und Raucherkneipe Lebensfreude Pur , die Szenegaststätte und der selbsternannte Satiredorfkrug Henscheid, gegenüber die Fußball und Musikkneipe Bernemer Fass sowie das Café Klatsch, das allerdings um 22 Uhr seine Pforten schließt und daher eher als Tagescafé beliebt ist. Die Anwohner dieses Viertels wähnen sich wahrscheinlich in einer reinen Wohngegend, ohne Geschäfte und Geschäftigkeit. Dass sie aber statt dessen auf einem Parkplatz wohnen, werden sich wohl die wenigsten eingestehen. Dicht an dicht ragen querstehende Autos weit in die Gehwege hinein und verstopfen die Freiligrathstraße mit ihrem Kopfsteinpflaster. Ein Überqueren ist schwierig, besonders mit einem Rollator, Rollstuhl oder Kinderwagen. Auch die Kreuzungen sind regelmäßig zugeparkt. Natürlich gibt es auch nirgendwo die Möglichkeit, ein Fahrrad anzuschließen. Bäume oder anderes Grün sind dort nicht zu finden. Nur an der Ecke zur Mainkurstraße führt ein schmächtiges Bäumchen inmitten einer kleinen Wiese ein trauriges Dasein. Direkt gegenüber liegt das Fahrradgeschäft Fahrradkeller, das ausschließlich Vintageräder feilbietet, Schönheiten, die überall an den Wänden und der Decke des kleinen Ladens hängen, restauriert und poliert. Eine Augenweide angesichts des allgegenwärtigen Blechs. Öffnungszeiten Samstags von 12 – 15 Uhr, oder per Anmeldung unter der angegebenen Mailadresse. Von der Saalburgallee kommend fällt rechterhand ein Secondhandladen dadurch auf, dass er bereits seit Jahren geschlossen ist. Durchgebogene Regalbretter im Fenster, verstaubte Klamotten, eine Tafel die darauf hinweist dass „heute geschlossen“ sei. Ein symptomatischer Eintritt in eine tote Straße, ein toter Laden. Auf den Balkonen der schönen, sanierten Gründerzeithäuser ist nur selten jemand zu sehen, es sei denn zum Rauchen. Aber auch diese Straßen haben Geschichten zu erzählen. In der Freiligrathstraße lebte in der ersten Hälfte der siebziger Jahre der Frankfurter Jazz- und Avantgardemusiker Alfred Harth in einer WG. Und in der Fechenheimer ist im Jahre 1927 der Gangsterboss und Bestsellerautor Henry Jaeger („Die Festung“) geboren.

Weshalb also sollte jemand ausgerechnet an der Mündung der Fechenheimer- in die Freiligrathstraße eine Kneipe eröffnen? Wer sollte dort hingehen, außer die Anwohner? Aber genau an dieser Ecke findet schon seit vielen Jahrzehnten Kneipenleben statt, unter wechselnden Besitzern und Namen. Seit dem Jahre 2000 ist dort die Jazz- und Chansonbar Mosaik beheimatet, ein wunderbarer Lichtblick in dieser Ödnis. Ursprünglich hatte das Ehepaar nur geplant, eine Wohnung in dem Eckhaus zu besichtigen, die sie kaufen wollten. Der Verkäufer erzählte bei der Gelegenheit, das die Gastronomie auch zu verkaufen sei. Der Entschluss wurde gefasst und aus dem Architekten wurde der Barmann.

Schon von Weitem fällt das Mosaik auf, mit seinem mächtigen Rosenstrauch und dem wilden Wein, die das kleine und sehr heimelige Gärtchen der Bar überspannen. Was Rosen und Wein nicht schaffen übernimmt der Kirschbaum an der anderen Ecke dieser unerwarteten Idylle. Beides hat der Wirt vor über zwanzig Jahren angepflanzt. Lindgrüne Schirme spannen sich über das kleine Areal mit seinem Schotterboden, in dem fünf Tische für die Gäste bereit stehen. Selbst in warmen Sommernächten ist hier meist ein Platz zu finden. Nachts erleuchten die hellen Transparente der Bar und die Lichterkette einladend die triste Kreuzung.

Im Inneren der Bar fällt als erstes der lange Tresen in dunklem Holz auf, der den ganzen vorderen, schmalen Raum dominiert. An der Wand ein großes, indirekt beleuchtetes, teilweise offenes und verspiegeltes Thekenregal, das all die typischen Zutaten für eine Bar präsentiert. Alle Arten von Schnäpsen, Likören, Bränden, Pastis`, Sirups und Säften, die Zutaten für die Cocktails, die auf der umfangreichen Karte zu sehr zivilen Preisen angeboten werden. Auch eine gute Auswahl an Weinen ist zu finden, ebenfalls zu überaus fairen Preisen. Entworfen hat diese Einrichtung der Wirt. Der in Ehren ergraute, liebenswerte Mann mit den warmen Blick und der sanften Stimme, ist als junger Mann von Tunesien aus, wo er geboren wurde, nach Paris gegangen, um an der École des Beaux Arts Architektur zu studieren. Dieses Studium finanzierte er durch einen Job im Maxim. Dort lernte er kunstvoll mit den Inkredenzien zu hantieren und aus ihnen feinste Cocktails zu zaubern. Die Drinks servierte er den Schönen und Reichen, die im Maxim verkehrten, und ihn dafür mit üppigen Trinkgeldern bedachten. Taoufik, so heißt der Wirt, beherrscht diese Kunst noch immer und seine Cocktails werden allseits gelobt und geschätzt. Die Gäste müssen aber Zeit mitbringen. Taoufik lässt sich nicht aus der Ruhe bringen oder gar hetzen, für die Bestellungen nimmt er sich die Zeit, die er braucht. Jeder hat dafür Verständnis. Es werden im Mosaik nicht nur die üblichen Drinks und Cocktails serviert, sondern auch diverse Speisen. Bei Bedarf bietet der Wirt auch noch mitten in der Nacht den Hungrigen eine Portion Schafskäse mit Oliven oder auch nur ein Paar Frankfurter. Jazzer sind Nachtmenschen. All das erledigt er alleine, Abend für Abend. Gelegentlich unterstützt ihn seine Frau. Die Bar schließt, wenn die letzten Gäste gegangen sind und das kann auch mal fünf Uhr morgens sein, oder sogar noch später. Einen Ruhetag gibt es nicht, aber gelegentlich bleibt die Bar für einen, zwei oder auch drei Tage geschlossen. Das versteht jeder. Für die Musik sorgen Internet-Videos diverser Jazzkonzerte oder eigens angelegte Playlisten, die auf der Festplatte schlummern und von der guten Anlage in die Bar geschallt werden. In den ersten fünf Jahren stammte die Musik im Mosaik von Schallplatten. Diese lagern mittlerweile in Umzugskartons im Keller, Jazz, Blues und Latin, etwa 6000 Stück, darunter sicherlich etliche Schätze.

Taoufik steckt voller Geschichten, die er auch gelegentlich erzählt. Von den Musikern etwa, denen er im Laufe seines Lebens begegnet ist. Da ist die Rede von Sonny Stitt, mit dem er Cognac getrunken hat, von dem Bluesmusiker Champion Jack Dupree, der zwei Wochen bei ihm wohnte, von dem Trompeter Dizzy Gillespie, der ihn einst zum Geburtstag eingeladen hatte, der irgendwo in New Jersey begangen wurde. Taoufik flog hin. Dann gibt es noch die Geschichte von dem Sitarvirtuosen Ravi Shankar. Einen Konzertaufenthalt in Frankfurt nutzte dieser für einen Besuch im Mosaik. Als er die Bar betrat, zeigte der Monitor einen Konzertmitschnitt von Norah Jones. That´s my daughter, sagte der bis dahin für Taoufik unbekannte Mann, und deutete auf den Monitor.

Das Erweckungserlebnis, das ihn zum Jazzfan machte, hatte er als 14 oder 15-jähriger Junge in Tunesien. Am Strand vor historischer Kulisse erlebte er ein Konzert von Louis Armstrong, ein großes Ereignis für den jungen Mann. Das Ticket war unerschwinglich, also bearbeitete er so lange seinen Vater, bis dieser den Eintritt spendierte. Seit diesem denkwürdigen Konzert am Strand von Tunesien ist Taoufik Jazzfan.

Die Juliette-Greco-Lampe

Über vier Stufen gelangen die Gäste in den hinteren Raum. Hier stehen einige Tische und ein Klavier. Auffallend sind die unterschiedlichen aber stilgleichen Lampen, die in Ecken und auf Fensterbrettern stehen. Eisenrahmen halten eine rotbraune Bespannung, die für warmes Licht sorgt. Ich hielt die Lampen für tunesische Volkskunst, hatte mich aber natürlich getäuscht. Auch sie stammen vom Wirt. Er entwarf sie während seines Studiums an der École des Beaux Art und ließ sie bauen. Die größte und schönste der Leuchten steht im hinteren Raum neben dem Klavier. Sie ist schlank und weitet sich nach oben hin, ähnlich einer Blüte. Diese Stehlampe sei von Juliette Greco inspiriert, erzählt Taoufik, und von den Kleidern, die sie gerne trug. Es wundert nicht, er kannte auch diese große Künstlerin.

Die Mosaik Bar ist ein Ort für Live Musik, nicht nur Jazz, gelegentlich auch Pop und Rock. Oft in wöchentlichem Rythmus stehen Musikerinnen und Musiker auf der Bühne. Darunter durchaus bekannte Namen, oft aus den Reihen der renommierten HR Bigband. Anfangs gab es massive Beschwerden der Nachbarschaft. Nachdem die Mosaik Jazzbar für einen hohen Betrag schallisoliert wurde sind die Beschwerden verstummt.

An den Wänden s/w Fotos diverser Jazzmusiker, einige signiert, Originale. Auch das ikonische Photo mit Jacques Brel, Leo Ferré und George Brassens schmückt gerahmt die Bar und verdeutlicht, worum es im Mosaik auch geht.

Nicht nur Livemusik wird im Mosaik geboten. Frei empfangbare Spiele der Frankfurter Eintracht überträgt Taoufik auf einer großen Leinwand, etwa Europapokalsspiele. Er ist Fan des Clubs.

Viele der Stammgäste, die fast täglich am Tresen sitzen, sind im Laufe der Zeit Freunde von Taoufik geworden. Anwälte, Lehrer, Rentner, Junge und Alte und natürlich Musikerinnen und Musiker. Oft nehmen auch Beschäftigte aus den umliegenden Kneipen dort ihren Feierabenddrink. Das Publikum ist gemischt. Die Mosaik Jazz und Chanson Bar ist ihr Wohnzimmer. Und das werden alle vermissen, sollte es diesen wunderbaren Ort eines Tages nicht mehr geben, wenn die Lichter ausgehen, Bornheim ärmer wird und die Freiligrathstraße im Parkplatzgrau versinkt.

Die Mosaik Jazzbar im Internet:

https://www.mosaik-jazzbar.de/startseite.php

oder hier: https://www.facebook.com/MosaikFrankfurt/

Anm.: Dieser Text ist vom Wirt autorisiert.

2 Gedanken zu „Ein besonderer Ort – Die Mosaik Jazz- und Chansonbar

  1. Avatar von Martin Jahn

    Wunderschöner Bericht. Wenn ich mal wieder nach Frankfurt komme, möchte ich da gerne mal vorbeischauen. War erst vor kurzem in Frankfurt im Nordend bei HIN (Hilfe im Nordend) und in der Gute-Leute-Stube, wo Menschen mit wenig Geld eine warme Mahlzeit bekommen können.

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