Gretchen – der neue Roman von einzlkind

Gretchen

Wer ist einzlkind?

Vor drei Jahren erschien unter dem Pseudonym einzlkind im Berliner Verlag Edition Tiamat der Roman Harold, ein aberwitziges Roadmovie voller absurder Geschehnisse und skurriler Gestalten. Eine unvergessliche Lektüre, die das Feuilleton sowie die Leserschaft gleichermaßen begeisterte und dem Verlag einen Bestseller bescherte. Wilde Spekulationen schossen ins Kraut wer sich hinter einzlkind wohl verbergen möge. Bis heute blieb das Geheimnis ungelüftet.

Jetzt wird wieder spekuliert werden, denn kürzlich ist der zweite Roman von einzlkind erschienen, Gretchen. Dieses Mal hat der Verlag weder Kosten noch Mühe gescheut und dem Buch einen festen Einband nebst Schutzumschlag und Lesebändchen spendiert. Er verspricht sich offensichtlich einiges von diesem Roman, zurecht. Gretchen also, wieder ein Name als Titel, dieses Mal ein Frauenname der an Goethe denken lässt oder an Gretel aus dem Märchen.

Es geht furios los und auf den ersten Seiten fühlt man sich in die absurde Bilderwelt eines Eugen Egner oder in frühe Romane Herbert Rosendorfers versetzt.

Wir lernen Gretchen Morgenthau kennen, eine Wienerin, die nicht mehr in der Blüte ihres Lebens steht aber hellwach und schlagfertig ist. In einem zweiten Erzählstrang wird uns Kyell vorgestellt, ein junger Tierarzt wider Willen, der auf dem Eiland Gwynfear unweit von Island lebt. Beider Geschichte erzählt einzlkind in drei Teilen/Akten und 28 Kapiteln. Hatten wir es bei Harold mit einem Antihelden zu tun, der ohne die Begleitung des elfjährigen Melvin aufgeschmissen wäre, so ist Gretchen eine starke, modebewusste Frau, die sich nichts vormachen lässt.

Vor Gericht

Sie lebt in London auf bescheidenen 120 Quadratmetern und hat Probleme in der nur zwölf Quadratmeter großen Kleiderkammer ihre Garderobe unterzubringen. Nach dem vergeblichen Versuch als Auftragskiller durchs Leben zu gehen, wählte Gretchen die Theaterlaufbahn und wurde Intendantin.

Gretchen ist krank, sterbenskrank – Schnupfen. Der benachbarte pensionierte Arzt und ihr lebenslanger, wenn auch unerhörter, Verehrer, Dr. Mandelberg diagnostiziert eine Verstopfung und empfiehlt Kamillentee. So fängt dieser aberwitzige Trip an, der uns über einige von Gretchens Lebensstationen erwartungsgemäß nach Gwynfear führt. Unterwegs begegnen wir allerhand ungewöhnlichen Figuren, unter anderem einem Taxifahrer, der behauptet Wikipedia auswendig zu kennen, aber nur elektrische Zahnbürsten verkaufen will, einem Wiener Lehrer, der Gretchen ob ihrer Regiearbeit am Burgtheater zur Sau macht, einem Pfarrer für alle Weltreligionen, einem Richter mit Vorliebe für Absinth und Camus, Stalin, dem Kater und einem Haubentaucher namens Charles Manson. Wie auch schon in Harold ist dieser Roman reich an Anspielungen und Assoziationen. einzlkind jongliert mit Namen aus der Literatur und dem Theater, dass es eine reine Freude ist. Tykwer, Halldór, Grass, Rainald Goetz, Alexander Kluge, Sophie Rois, Bertolt Brecht, Thomas Bernhard – sie Alle tauchen mehr oder weniger verschlüsselt in dieser aberwitzigen Geschichte auf. Selbst die Kapselkaffee-Werbung von George Clooney ist es wert, Erwähnung zu finden. Auf Bezüge zu Joyce und seinen Ulysses, die noch in Harold so zahlreich waren, müssen wir allerdings bis zum Schluss warten. Es ist nicht zuviel verraten, wenn gesagt wird, dass Gretchen mit dem selben Wort endet wie der Ulysses – Ja.

Gegen Ende des ersten Aktes landet Gretchen vor Gericht. Diese Gerichtsverhandlung ist ein dramaturgischer Höhepunkt des Romans, ein absurdes Theater, mit Gretchen und dem Richter als Hauptdarstellern und einem Publikum, das unterhalten werden möchte – Abonnenten-Publikum und aufgespritzte Champagner-Drosseln. Ihr wird Trunkenheit am Steuer vorgeworfen, zudem soll sie mit ihrem Jaguar ein Polizeiauto demoliert haben („Sechs oder sieben Gläser. Auf keinen Fall mehr als acht.“). Der Richter hat ein Faible für außergewöhnliche Urteile, die eher als Erziehungsmaßnahme zu werten sind. Und so wird Gretchen zu vier Wochen Gwynfear verdonnert, wo sie eine Theateraufführung mit den Bewohnern einstudieren und aufführen soll.

Tomatensaft oder Blut?

Die Überfahrt nach Gwynfear leitet den zweiten Akt ein. Der Fährmann, ein Fischer, ist Gretchen intellektuell ebenbürtig und sogar in Modedingen bewandert. Auf Gwynfear, das sich auch als Böcklins Toteninsel vorstellen lässt, wird unsere Heldin wie ein Staatsgast empfangen. Die Bevölkerung entpuppt sich als kultur- und theaterbegeistert und gefällt sich in mehr oder weniger fachkundigen Bemerkungen und Gesprächen. Hier lernt die Frau Intendantin dann auch den schweigsamen Kyell kennen, den sie zu ihrem Assistenten macht. Peer Gynt ist das Stück ihrer Wahl. Dieser Vorschlag stößt allerdings nicht auf allzu viel Gegenliebe bei den Einheimischen. Aber da Gretchen ohnehin nur wenig Lust hat, überhaupt ein Stück zu inszenieren, überlässt sie schließlich Tule, einem mit Kyell befreundeten Journalist, die ganze Arbeit und freie Hand. Gretchen scheitert derweil lieber bei dem Versuch, einige kernige Schotten, die abgelegen auf der Insel hausen, mit deren selbst gebranntem Whisky unter den Tisch zu saufen. Anschließend schläft sie drei Tage.

In Tules selbständiger „Regiearbeit“ geht es um den Tod, oder besser um die Frage: Tomatensaft oder Blut. Gretchen ist nicht angetan, fürchtet um ihren posthumen Ruf und spricht ein Machtwort. Es wird wieder Peer Gynt einstudiert. Und wer schon die ganze Zeit auf die Gretchenfrage gewartet hat, im zweiten Akt wird sie gestellt.

Der dritte Akt besteht nur aus einem einzigen Kapitel und gilt dem letzten Tag Gretchens auf Gwynfear. Mehr soll hier nicht verraten werden.

einzlkind beherrscht das literarische Handwerk perfekt. Gretchen ist bei allem Humor und Witz ein ernster und durchaus melancholischer Roman, der nicht weniger verhandelt als große Themen wie das Leben, die Kunst und den Tod. Es ist die große Kunst von einzlkind, Melancholie und Humor in diesem wunderbaren Roman zu einer Einheit geformt zu haben und dabei auf jeden Klamauk zu verzichten.(„Humor ist eine sehr ernste Angelegenheit, deshalb verstehen lustige Menschen Humor ja auch nie“)

Und wir sollten uns von dem undeutlichen Autorenfoto nicht blenden lassen – was ist, wenn einzlkind eine Frau ist? Aber eigentlich ist das auch egal. Gretchen ist ein würdiger Nachfolger von Harold. Und der Umschlagtext „Sie haben Harold geliebt? Dann werden Sie Gretchen hassen.“ ist eine kokette Warnung. Sie werden Gretchen lieben.

Aber lassen wir unserer Heldin das letzte Wort: „Hauptsache, du benutzt kein Pseudonym. Es gibt nichts Schlimmeres, als Schriftsteller mit einem Pseudonym.“

Edition Tiamat, Berlin 2013, 240 S., € 18,-

Was mache ich eigentlich den ganzen Tag?

Als Wibke Ladwig die Blogparade zum Thema „Und was machen Sie so beruflich?“ ins Leben rief, fühlte ich mich sofort angesprochen. Je älter ich werde, desto schwerer fällt es mir nämlich, zu erklären, was ich den ganzen Tag so mache.

Ich habe schon viele verschiedene Dinge gemacht in meinem Leben, in Kneipen gearbeitet, Fenster geputzt, ohne Erfolg Design studiert, einen Radwanderführer über das Rhônetal geschrieben… Und dennoch bin ich kein Wirt geworden, Fensterputzer auch nicht, Designer erst recht nicht und ein Reiseschriftsteller ist aus mir – leider – auch nicht geworden.

Buchhändler

Meine erste „richtige“ Ausbildung wurde mir vom Arbeitsamt in einem Alter spendiert, in dem andere schon zweimal den Job gewechselt haben. Ich wurde Buchhändler. Nichts besonders Aufregendes, aber ich wollte das schon lange und es hat Spaß gemacht. Dem Sortiment blieb ich dann für zwanzig Jahre treu.

Nachdem ich bis dahin die Frage, was ich denn so machte, immer mit „dies und das“ beantwortete, konnte ich jetzt mit einem richtigen Beruf aufwarten. Der Glamourfaktor war gleich null, aber wenigstens konnten sich die meisten darunter etwas vorstellen, auch wenn sie mit Büchern nichts am Hut hatten.

Suhrkamp

Schwerer wurde es, als ich zu Suhrkamp ins Verlagsgeschäft wechselte. Dann lautete die Frage ob ich Lektor sei. Dass es in einem Verlag auch noch andere Abteilungen gab, war nur den Wenigsten bewusst. Auf meine Antwort, ich sei in der Verkaufsabteilung und hätte viel mit Buchhändlern zu tun, erntete ich meist ein „Aha“. Die Verkaufsabteilung strahlte offensichtlich nicht soviel Glanz aus wie das Lektorat. Einer fragte mal, welche Druckmaschinen wir verwendeten und war enttäuscht zu erfahren, dass Verlage in der Regel nicht selbst druckten.

Aber immerhin konnten einige mit dem Namen Suhrkamp etwas anfangen. Das war nicht selbstverständlich.

Bei Menschen, für die Bücher etwas waren, das irgendwo im Regal stand und Staub fing, erntete ich bei dem Namen Suhrkamp meist ein ungläubiges Kopfschütteln. Dann halfen nur noch die Hausheiligen, Brecht, Hesse, Frisch – an diese Namen aus der Schulzeit erinnerten sich noch einige.

Nicht zuletzt deshalb habe ich es immer genossen, mit Menschen aus der Branche oder Literaturliebhabern zu tun zu haben – man wusste wovon man sprach und verstand sich in der Regel.

Social-Web

Während meiner Zeit bei Suhrkamp kam ich erstmals mit dem sog. Social-Web in Berührung. Eine Freundin hatte mir eine Einladung zu Xing geschickt. Irgendwann versuchte ich mich anzumelden, war aber schnell genervt von der Anmeldeprozedur und brach die Formalität ab. Das hatte zur Folge, dass mich Xing ständig darauf hinwies, meine Anmeldung sei noch nicht vollständig, ich möge sie doch abschließen. Um endlich meine Ruhe zu haben, tat ich Xing den Gefallen. Schnell fand ich Freude an dieser Art der Kommunikation und trieb mich in Musik- und Literaturforen rum. Es hat viel Spaß gemacht. Bevor Suhrkamp selbst in den sozialen Netzwerken aktiv wurde, habe ich über Xing Social-Media-Marketing für den einen oder anderen Suhrkamp-Titel betrieben.

Am wichtigsten aber war, dass ich über Xing Menschen mit ähnlichen Interessen kennengelernt habe. Mit manchen bin ich heute befreundet. Es war mir immer wichtig, dass sich das virtuelle Leben im realen wiederfindet. Lange Zeit war Xing das einzige Netzwerk, dass ich nutzte. Ich vermisste nichts und als ich erstmals von Twitter hörte, musste ich mir erklären lassen, was das sei. Nun gut, irgendwann folgte dann auch Facebook.

Berlin – Frankfurt – Berlin

Als der Suhrkamp Verlag ankündigte im Januar 2010 nach Berlin umzuziehen, war meine Begeisterung gedämpft. Ich war zehn Jahre vorher von Berlin nach Frankfurt gezogen und hatte mich langsam mit der Stadt am Main angefreundet. Außerdem war ich mittlerweile in Frankfurt viel besser vernetzt als in Berlin. Dennoch, ich war nicht mehr der Jüngste, suchte ich eine Wohnung in Berlin und fand sie im Prenzlauer Berg. Es war vermutlich die schönste und größte Wohnung, die ich jemals hatte und doch habe ich sie nie gesehen.

Je näher der Umzugstermin rückte desto größer wurde mein Unbehagen. Ich brauchte eine Alternative. Eine Bewerbung bei einem Frankfurter Verlag hat nicht geklappt. Das war schade, aber wenn man sich bewirbt, muss man auch damit rechnen, abgelehnt zu werden.

Die Alternative fand sich dann im Dezember 2009, kurz vor dem Umzug des Suhrkamp Verlags. Ich traf mich mit einem befreundeten Verleger eines Regionalverlags in Frankfurt. Er spielte schon lange mit dem Gedanken, ein Geschäft für lokale Produkte in Frankfurt zu eröffnen. Wir einigten uns, das zusammen zu machen. Alles klang ganz wunderbar und realistisch. Ich erwartete eine Abfindung, die ich investieren wollte, einen Teil jedenfalls.

Selbstständigkeit

Am zehnten Jahrestag meines Einstiegs bei Suhrkamp kündigte ich und machte mich, nach dreimonatiger Arbeitslosigkeit, selbsständig.

Seit dem habe ich ein Problem zu erklären, was ich denn eigentlich mache.

Vielleicht sollte ich mich Bauarbeiter nennen, in einem übertragenen Sinne natürlich. Ich bin auf vielen Baustellen unterwegs und bei manchen ist noch eine Menge Sand im Getriebe.

Die Idee, einen Laden für regionale Produkte zu eröffnen, ließen wir schnell fallen. Statt dessen entschieden wir, diese Produkte selbst zu entwickeln und herzustellen und andere sie verkaufen zu lassen. Das haben wir getan. Aber diese Firma ist auch noch eine Baustelle, die Website ist z. B. noch nicht fertig und es gibt noch nicht genügend Produkte.

Irgendwann erreichte mich eine Anfrage des Fischer-Taschenbuchverlags. Es wurde jemand gesucht, der in der Klassiker-Reihe eine Anthologie zum Thema „Spaziergang“ herausgab. Diesen Auftrag habe ich sehr gerne angenommen. Bereits im folgenden Jahr stellte ich wieder für den Fischer-Taschenbuchverlag eine weitere Anthologie zusammen, diesesmal lautete das Thema „Eisenbahn“. Ich hatte es vorgeschlagen und der Verlag war einverstanden. Leider wurde die Reihe mittlerweile sehr reduziert und es blieb bei diesen zwei Büchern.

In der letzten Woche habe ich, wieder als Herausgeber, ein Lesebuch für den B3 Verlag in Frankfurt fertig gestellt. Es wird Mitte März erscheinen.

Dieser B3 Verlag ist in Frankfurt Bockenheim beheimatet. Dort habe ich auch mein Büro. Für den Verlag betreue ich die Website, die dringend renovierungsbedürftig ist, und bespiele Twitter und Facebook. Neue Bücher stelle ich bei Book2Look ein und wenn`s ein E-Book werden soll, erledige ich das über Bookwire. Im Tagesgeschäft kümmere ich mich um die Aufträge und erledige hin und wieder Marketingaktionen, wie Mailings etc.

Die ursprüngliche Idee, ein Geschäft für regionale Produkte zu eröffnen, wurde dann doch verwirklicht, wenn auch ohne mich. Den Hessen Shop gibt es mittlerweile dreimal in Frankfurt sowie als Shop in Shop System in allen sechs Hugendubel-Filialen im Rhein-Main-Gebiet. Für den Hessen Shop betreue ich die Facebook und Twitter-Accounts. Außerdem habe ich eine Pinterest-Seite eingerichtet. Seit Anfang März pflege ich auch die Website des Hessen Shops, technisch und inhaltlich. Das ist eine weitere, große Baustelle, die mich viel Zeit kosten wird. In der nächsten Zeit werde ich mich also in das Redaktionssystem der Seite einarbeiten.

Social-Media-Anwendungen nutze ich täglich, privat und beruflich. Insgesamt betreue ich je fünf Facebook und Twitter-Accounts. Demnächst werden es noch mehr werden. Manche dieser Accounts, z. B. die Facebook-Seite des kulturellen Online-Magazins Faust-Kultur, betreue ich ehrenamtlich, aus Idealismus. Da wird kein Geld verdient, jedenfalls zur Zeit noch nicht, und mir gefällt die Seite sehr. Für so ein wunderbares Projekt investiere ich gerne etwas von meiner Zeit.

Als Social-Media-Profi würde ich mich aber niemals bezeichnen, da gibt es andere, die mit dem Thema wesentlich vertrauter sind als ich. Auch beschränke ich mich auf Twitter, Facebook und Pinterest. Mit Google+ zum Beispiel habe ich mich noch nicht beschäftigt. Ich weiß auch noch nicht, worin der Nutzen einer weiteren Plattform besteht. Nicht zuletzt ist es auch ein Zeitproblem.

Obwohl ich recht „amateurhaft“ mit Social-Media umgehe, halten mich manche doch für einen „Profi“, gemessen an ihren eigenen Fähigkeiten und Ängsten. Also helfe ich hin und wieder anderen bei ihren ersten Schritten in das soziale Netz.

Zu guter Letzt bin ich mit ehemaligen Verlagskolleginnen und Kollegen in den Vorbereitungen für die Gründung einer weiteren Firma. Wir brauchen aber noch ein paar Wochen und vorher wird nichts verraten.

Für Aussenstehende klingt das alles sicher recht verwirrend. Aber hinter all diesen Aktivitäten steht ein Netzwerk von nur wenigen Personen. Intern ist alles also recht überschaubar und die Wege sind kurz – und Bauarbeiter schätzen kurze Wege.

Nachtrag vom Januar 2014

Als Selbsständiger bewegt man sich auf dünnem Eis. Ich habe das jetzt zu spüren bekommen. Sollte ich jetzt diesen Beitrag schreiben müssen, er würde vollkommen anders aussehen, denn 90% der oben geschilderten Umstände sind mittlerweile hinfällig. Ich orientiere mich jetzt neu.

95 Jahre Oktoberrevolution

Vor genau 95 Jahren, im Oktober 1917 veränderte die Russische Oktoberrevolution die Welt. Einer der Chronisten dieses historischen Ereignisses war der amerikanische Journalist John Reed (1887 -1920).

Seine Erlebnisse hielt er in dem Buch „10 Tage die die Welt erschütterten“ (orig.: Ten Days that Shook the World) fest. Der Führer der Russischen Revolution, W.I. Lenin, war von dem Buch des Amerikaners derart angetan, dass er ein Vorwort verfasste. Lenins Nachfolger, Josef Stalin, missfiel jedoch die positive Darstellung Leo Trotzkis und er verbot Reeds Buch.

Cover von John Reed „10 Tage die die Welt erschütterten“.

Meine Ausgabe von „10 Tage die die Welt erschütterten“ habe ich vor vielen Jahren für 3 DM einem Kreuzberger Trödler abgekauft. Es ist die erste Auflage aus dem Dietz Verlag Berlin von 1957 und sehr gut erhalten. Leider fehlt der, von John Heartfield entworfene, Schutzumschlag. Aber auch so ist es ein ausgesprochen schön gestaltetes Buch. Es ist fadengeheftet, auf schönem Papier gedruckt und in grobes Leinen gebunden. Der Titel ist im Prägedruck aufgebracht.

1957, vier Jahre nach Stalins Tod, hatte auch die DDR dem Stalinismus abgeschworen und so konnte das Buch wieder erscheinen (die erste deutsche Ausgabe erschien 1922). Ich nehme an, „10 Tage die die Welt erschütterten“ wurde daraufhin zu einer Art Volksbuch in der DDR, das zu allen möglichen Anlässen verschenkt wurde.

Widmung für Elli Lehmann vom 17.12.1957

Mein Exemplar jedenfalls wurde am 17.12.1957 einer gewissen Elli Lehmann zugeeignet, wahrscheinlich als Anerkennung ihrer Arbeitsleistung im Dienste des Sozialismus. Der gute Zustand meiner Ausgabe lässt allerdings vermuten, dass Elli von der Lektüre Abstand genommen hat.

John Reed verliess im April 1918 die Sowjetunion in Richtung USA. Nachdem er aus der dortigen Sozialdemokratischen Partei ausgeschlossen wurde, gründete er mit Anderen die kommunistische Partei der USA, CPUSA, und wurde deren Vorsitzender. Als er 1919 in den USA wegen Hochverrat angeklagt wurde, verließ er das Land und kehrte in die Sowjetunion zurück, wo er 1920 an Typhus erkrankte und verstarb. John Reed wurde, als einer der wenigen Ausländer, an der Kremlmauer begraben.

In fünf Jahren, zum hundertsten Jahrestag der Oktoberrevolution, werde ich „10 Tage die die Welt erschütterten“ auch mal lesen. Das bin ich Elli Lehmann schuldig.

Nachtrag: Alle Daten und Fakten zu John Reed habe ich bei Wikipedia zusammen geklaubt.

Meine Buchmesse 2012

Zum Abschluss der diesjährigen Buchmesse fühlte ich mich wie ein begossener Pudel. Es regnete heftig, als ich gegen neun Uhr am Sonntagabend auf mein Rad stieg um quer durch Frankfurt nach hause zu fahren. Endlich dort angekommen, zog ich noch im Flur die nassen Klamotten aus und trockene an, rubbelte die tropfenden Haare und stiefelte beschirmt ins Wirtshaus. Hunger, Durst und das drohende schwarze Loch, in das ich bislang nach jeder Messe, diesem Familientreffen, gefallen bin, trieben mich dorthin.

Suhrkamp

Den letzten Messetag verbrachte ich bei den ehemaligen Kollegen vom Suhrkamp Verlag. Ich durfte beim Verkauf helfen und anschließend beim Abbau. Mein blaues Suhrkamp Namensschild hatte ich noch, jetzt konnte ich es wieder mal tragen. Mit Suhrkamp hörte die Messe auf, mit Suhrkamp fing sie an.

Am Dienstag half ich mit, den Stand mit Büchern zu bestücken. Jetzt kenn ich mich wieder etwas besser mit dem aktuellen Programm aus. Früher hatten wir immer Schwierigkeiten, all die Bücher im Messestand unterzubringen, jetzt hat der Verlag einen neuen und man musste sich anstrengen, die Regale mit Büchern zu füllen. Viel Platz also für eine frontale Präsentation, was ja auch eine schöne Sache ist.

Das sind die besonderen Momente, vor Beginn oder am Ende der Messe, wenn das Publikum noch nicht, oder nicht mehr durch die Gänge strömt, am Dienstag voller Vorfreude und am Sonntag erleichtert, dass es vorbei ist und deswegen auch ein bißchen traurig. Dazwischen liegen ereignisreiche, lange Tage und kurze Nächte.

Am Mittwoch brachte ich meinen kleinen Büro-Laptop zum Stand von Faust-Kultur und bestellte nach Anweisung mein Passwort für den WLAN-Zugang der Messe. Fürderhin war ich der Einzige bei Faust-Kultur, der den Laptop morgens mit dem Buchmesse-Netz verbinden konnte. Die Apfelnutzer wussten mit dem Windows Rechner nicht so recht umzugehen.

Liebeskind Verlag und Twittwoch

Es folgte mein üblicher Trampelpfad, auf der Suche nach bekannten Gesichtern und einem spendierten Kaffee nebst Keksen. Wie immer freundschaftlich empfangen wurde ich beim Liebeskind Verlag. Für lebenswichtige Dinge wie Kaffee, Wasser, tolle Bücher und nicht zuletzt nette Menschen ist Liebeskind meine erste Adresse. Und irgendwann hat der Verlag auch eine eigene Facebook-Seite, ganz sicher.

Am Mittwochnachmittag stand dann der schon tradionelle Twittwoch auf dem Programm, ein Highlight. In 15-minütigen Präsentationen stellten Verlage und Andere ihre Social-Web-Aktivitäten vor. Mir besonders im Gedächtnis geblieben ist die Vorstellung des Spektrum Wissenschafts-Verlags, der auf erfrischende, informative und sehr kurzweilige Art seine Präsenz auf Facebook und Twitter darstellte. Etwas ganz Besonderes aber lieferten die beiden sympatischen Damen des Onkel&Onkel Verlags. Mutig, genau und sehr selbstbewusst schilderten sie die Geschichte eines Scheiterns. Über eine Crowdfunding Plattform hatten sie versucht, € 10000,- für ein Buchprojekt zu sammeln. Es kamen lediglich ca. neunhundert Euro zusammen, das Projekt war grandios gescheitert. Sehr offen erläuterten die beiden Frauen alle Maßnahmen, die sie ergriffen hatten, um ihr Projekt zu verwirklichen. Am Ende nutzte alles nichts und sie gaben auf. Das Social Web ist kein Goldesel, das wurde deutlich. Leider blieb keine Zeit um über die Gründe dieses Scheiterns zu diskutieren. Dieser Messe-Twittwoch war wieder eine spannende und unterhaltsame Veranstaltung. Die umtriebige Wibke Ladwig hatte ihn mit organisiert und auch flott und witzig moderiert. Die üblichen technischen Schwierigkeiten („kein Netz, arrrgh!“) gehören wohl dazu.

Eine Einladung des Knaus Verlags zu einer Messeparty (Betreutes Trinken) habe ich ausgeschlagen. Ich war müde und saß noch mit einigen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen in einer stylischen Burger-Bude in Bockenheim.

Literatur-Nobelpreis und Besuch aus Stuttgart

Am Donnerstag wurde dann der diesjährige Literatur-Nobelpreisträger bekannt gegeben. Der chinesische Autor Mo Yan wurde geehrt und freuen durfte sich auch der Schweizer Unionsverlag, der die meisten Titel des Autors im Programm hat. Am Stand von Suhrkamp/Insel herrschte ebenfalls dichtes Gedränge. Mit „Die Sandelholzstrafe“ liegt im Insel Verlag ein Hauptwerk des neuen Nobelpreisträgers vor. Man hatte vorgesorgt und einige Exemplare dieses Titels vorrätig. Und auch die chinesische Regierung hatte nichts gegen den Preisträger einzuwenden, gilt Mo Yan doch als systemkonformer Künstler.

Am Donnerstag reiste auch mein alter Freund, der Kolumnist der Stuttgarter Nachrichten, Joe Bauer in Begleitung seiner Lebensgefährtin an. Sie wollten die Lesung Richard Fords, die am Abend im Schauspiel stattfinden sollte, besuchen. Von Joe ist zur Messe sein mittlerweile viertes Buch erschienen, die Kolumnensammlung – „Im Kessel brummt der Bürger King. Spazieren und über Zäune gehen in Stuttgart“. Wir trafen uns am Stand seines Berliner Verlegers Klaus Bittermann (Edition Tiamat).

Der Donnerstagabend ist traditionell dem Fest des S.Fischer Verlags vorbehalten. Da trifft man dann alle, die man sonst im Messetrubel nicht trifft. Entsprechend voll ist es immer. Und so ist die Ankündigung „Bis heute Abend bei Fischer“ mit Vorsicht zu geniessen. Viele trifft man eben doch nicht dort, oder wenn, reicht es oft nur zu einem kurzen Gruß. Ich habe etliche Leute nicht gesehen, obwohl sie da waren. Aber meinen ehemaligen Kollegen und Freund Florian Andrews begegnete ich beim Fischerfest. Wir belegten einen Stehtisch im hinteren Teil des Verlagshofes und verließen den auch den ganzen Abend nicht mehr. Die Kellner hatten unseren Tisch fest in ihre Route eingeplant, so dass an Wasser und Wein kein Mangel herrschte. Viele Bekannte und Unbekannte fanden sich im Laufe des Abends an unserem Tisch ein. Es war unterhaltsam und kurzweilig und um kurz nach zwölf war wie immer Schluss.

Stephan Thome und Henry Jaeger

Am Freitag traf ich Stephan Thome am Suhrkamp Stand. Wir plauderten ein wenig und ich lies mir seinen wunderbaren Roman „Fliehkräfte“ signieren. Sein erstes Buch, „Grenzgang“ hat mir allerdings noch besser gefallen. Der Roman ist ein Meisterwerk und „Fliehkräfte“ kommt nicht ganz an ihn heran.

Am Abend wurde dann der „Virenschleuder-Preis“ verliehen, eine Auszeichnung für originelle Social-Media-Marketing-Aktivitäten. Ich konnte leider nicht teilnehmen. Um 20 Uhr präsentierten der Schauspieler Claude-Oliver Rudolph und der Grimme-Preisträger Peter Zingler im Rahmen der Lesereihe „Open Books“ im Frankfurter Kunstverein den Roman „Die Festung“ des Frankfurter Autors Henry Jaeger. Jaegers Sohn Marcus erzählte, wie es war, als Sohn eines Bankräubers und Bestsellerautors aufzuwachsen. Als Kind war für ihn ein Schriftsteller jemand, der Telefonbücher schrieb.

„Die Festung“ erschein erstmals vor fünfzig Jahren und ist mittlerweile, ebenso wie sein Autor, fast vergessen. Jaeger, ein ehemaliger Bankräuber und Kopf der „Jaeger Bande“ hatte, um dem Wahnsinn zu entgehen, den Roman im Knast geschrieben. Er wurde ein Welterfolg und mit Hildegard Knef und Martin Held verfilmt. Der Frankfurter B3 Verlag hat das Buch jetzt dankenswerterweise wieder aufgelegt.

Im Anschluss an die Lesung zogen wir weiter ins Literaturhaus. Dort feierten, erstmals an diesem Ort, die sog. Independant Verlage ihr Messefest. Vor der Party wurde zunächst der Preis der Hotlist vergeben, der Buchpreis der unabhängigen Verlage. Er ging in diesem Jahr an den Grazer Literaturverlag Droschl für den Roman „Dunkelheit am Ende des Tunnels“ von Tor Ulvens. Im ersten Stock war ein Büchertisch eingerichtet, an dem man die nominierten Titel einsehen und kaufen konnte.

Bundespräsident Gauck und Cosplayer

Der Samstag ist der erste Publikumstag, wie immer wurde es sehr voll. Die Cosplayer mit ihren phantasievollen Kostümen belagerten den riesigen Messehof. Es schienen mir aber weniger zu sein als in den letzten Jahren.

Den Publikumstag nutzte auch Bundespräsident Gauck zu einem Besuch der Messe. Ungeplant bin ich in Halle 4 hängengeblieben. Sicherheitsleute hatten den Eingang abgesperrt. Ich wartete in der ersten Reihe. Als er dann schnellen Schritts und fröhlich winkend, durch die Halle zur Rolltreppe eilte, machte ich ein paar unscharfe Fotos. Hinter mir rief jemand „Hallo, Herr Bundespräsident“. Auf seinem Messerundgang hat der Präsident dann auch noch den Suhrkamp Verlag besucht und mit Geschäftsführer Thomas Sparr und Stephan Thome geplaudert.

Thome hatte ich am Mittag zufällig am Stand der ARD gesehen. Ein Journalist, dessen Namen mir entfallen ist, sprach mit ihm über „Fliehkräfte“. Er beendete das Gespräch mit der Bemerkung, „Fliehkräfte“ sei ein „schöner, kleiner Roman“. Das trieb Thome, angesichts der 470 Seiten seines Romans, ein entsetztes Lächeln ins Gesicht. Als der ARD Mann sich korrigierte, liefen die Kameras bereits nicht mehr.

Am Abend wollte ich, nach einem Abendessen in einem Bornheimer Wirtshaus, gegen 21 Uhr ins Literaturhaus fahren. Es war wieder Party und Tanzen angesagt. Diesesmal das Abschlussfest der „Open Books“ Lesereihe. Just in diesem Moment fing es heftig zu regnen an, so dass ich, statt ins Literaturhaus zu radeln, lieber nach hause fuhr.

Wahrscheinlich eine gute Entscheidung, denn ich musste ja am nächsten Tag um zehn Uhr am Suhrkamp Stand erscheinen.

Die Liebe zum Fahrrad

Der Informationswert von Sätzen wie „Schon im Alter von fünf Jahren beschloss er, Schriftsteller zu werden“ darf angezweifelt werden. Gemünzt ist dieser Satz auf den französischen Autor Paul Fournel, der auch Lektor, Verlagsleiter sowie Kulturattaché an diversen Französischen Botschaften war. Neben all diesen Tätigkeiten findet Fournel auch noch Zeit für seine große Leidenschaft, das Radfahren. Diese Leidenschaft hat er in Worte gefasst und der, auf Fahrradliteratur spezialisierte, Verlag Covadonga hat diese Erzählungen jetzt unter dem Titel „die liebe zum fahrrad“ veröffentlicht. Eigentlich müsste das Buch heißen „Die Liebe zum Rennrad“, denn darum geht es. Eine Liebe, die der Autor mit Millionen anderen Franzosen teilt.

Das Buch ist unterteilt in fünf Kapitel, diese wiederum in etliche, sehr kurze Unterkapitel. Sie heißen z. B. „Die kleine Landstraße“, „Leichtgewicht“, Übersetzung“, „Radfahrerbräune“, „Wind“ oder auch „Paris“. Hier erweist sich unser Autor auch als Alltagsradler, der täglich mit seinem Stadtrad durch die Metropole radelt, so schnell wie der Bus und schneller als Autos. Auf funktionierende Bremsen sollte geachtet werden und wenn man die meisten Radwege meidet, kommt man gut durch die Stadt (Das Buch ist 2001 in Frankreich erschienen. Seitdem hat sich in Paris in Sachen Fahrradverkehr eine Menge getan).

Aber ansonsten geht es um die Lust am Radfahren, das Rennrad, natürlich um die Tour, um berühmte Pässe und Gipfel, um Rahmen, Übersetzungen, Stürze und die richtige Fahrradmontur.

Es ist eine Plattitüde, dass Radfahrer die Natur intensiver wahrnehmen als Autofahrer. Und doch ist es gut, immer wieder darauf hinzuweisen. Fournel tut das auf anderthalb Seiten im Unterkapitel „Gerüche“ und kommt zu dem Schluss Radfahren riecht gut. Er eignet sich die Landschaft an, durch die er fährt (im Buch ist allerdings meist von „Pedalieren“ und „Kurbeln“ die Rede). Der Berg, den er bezwungen hat, gehört ihm – Ich habe ihn erklommen, ihn „genommen“, und er ist in mir. (S. 111).

Ein Mysterium für jeden Rennradler ist der Mont Ventoux. Fournel hat seine eigenen Erinnerungen an grauenhafte Aufstiege, bei denen nichts gelingen will, zur Hälfte des Anstiegs schon die Wasserflaschen leer sind und die Reifen vor Hitze am Asphalt kleben. Und doch denkt man am Ventoux nicht ans Umkehren, man denkt überhaupt nicht mehr (S. 122). An anderen Tagen bezwingt er den mächtigen Berg gleich zweimal hintereinander.

Bis man in der Lage ist, den Ventoux zu erklimmen, muss man tausende Kilometer auf dem Rad in den Beinen haben. Am Anfang dieser vielen Kilometer steht das erste Fahrrad, das mit den Stützrädern. Diese werden durch die helfenden Hände der Eltern ersetzt, bis sie eines Tages loslassen. Das Wunder war eingetreten: Ich fuhr Rad (S. 38) und Dieses Wunder wirkt bis heute nach (S. 39).

Nach diesem Wunder lies Fournel das Radfahren nicht mehr los. Es folgte ein Leben auf dem Rad, lange Touren, viele Fahrräder und zahlreiche Stürze. Nach einem heftigeren Sturz wurde eine notwendige Operation auch schon mal verschoben, weil die Schlussphase des Klassikers Paris – Roubaix erst noch im Fernsehen verfolgt werden musste, von Arzt und Patient gemeinsam.

Wie fast alle Franzosen ist der Autor ein großer Fan der Tour de France. Seine „Helden“ der Rundfahrt werden in “die liebe zum fahrrad“ ausführlich gewürdigt. 1996 erhält er die Gelegenheit, die Tour in einem Begleitfahrzeug aus nächster Nähe zu erleben. Zwei Jahre später versank die „Große Schleife“ durch die sog. Festina Affäre im Doping-Sumpf und ihrer bislang größten Krise. Die Geschichte des bedeutendsten Radrennens der Welt ist eine Geschichte des Dopings und bei seinen Anstiegen auf den Mont Ventoux hat Fournel schon öfter die Gedenkstätte für Tom Simpson passiert. Der Engländer war das erste Doping-Todesopfer der Tour. 1967 fiel er, als Führender, kurz unter dem Gipfel des Ventoux tot vom Rad. Er stand unter Amphetaminen und Alkohol. Seltsam, dass diese Tragödie bei Fournel keine Erwähnung findet.

Auch im Jahre 2001, als das Buch in Frankreich erschien, war das Thema Doping bei der Tour noch lange nicht erledigt. Fournel hat eine eindeutige Meinung dazu: Ich habe nichts gegen Doping – das Problem ist komplexer als die Frage, ob man »dafür oder dagegen« ist -, ich hatte einfach keine Lust mitzumachen. Und: Wenn man sich im Peloton weigert zu dopen, ist das so, als wollte man nicht »seinen Job machen«, als weigere man sich, zu trainieren oder massiert zu werden (S. 152). Es bleibt die vage Hoffnung, dass es heute, über zehn Jahre nach Erscheinen des Buches, anders ist.

Und doch sind es die schönen Seiten des Radfahrens, die in „die liebe zum fahrrad“ ausführlich geschildert werden und die Erkenntnis: Das Fahrrad ist eine geniale Erfindung (S. 35) behält eine ewige Wahrheit. Paul Fournel schildert ein Leben mit dem Rad und alle, die seine Leidenschaft teilen, wissen wovon er schreibt.

Paul Fournel, die liebe zum fahrrad, Covadonga Verlag, Bielefeld 2012

Mein Urheberrecht

Alle Welt redet derzeit über das Urheberrecht. Das liegt nicht zuletzt an der Piraten-Partei, aber die Diskussion ist schon viel älter. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hat den Versuch unternommen, die verschiedenen Standpunkte der laufenden Diskussion zu katalogisieren. Drei Kategorien sind dabei herausgekommen: die Neuerer, die Bewahrer und die Moderatoren.

Die bösen Verwerter

Im besonderen Fokus der Gegner des Urheberrechts stehen die sog. „Verwerter“, also z.B. Verlage, Zwischenhändler und Einzelhändler, die abgeschafft gehörten. Statt dessen wird ein Verwertungsmodell vorgeschlagen, das den direkten Weg vom Künstler zum Kunden sucht, unter Umgehung von „Verwertern“. Ich habe 30 Jahre meines Lebens bei solchen „Verwertern“ gearbeitet, in Buchhandlungen und im Verlag. Mir drängt sich daher der Eindruck auf, dass die Kritiker des Urheberrechts gar nicht wissen, was diese „Verwerter“ eigentlich den ganzen Tag lang so tun – außer die Autoren auszupressen natürlich.

Gepriesen wird gerne die Möglichkeit des „Selfpublishing“, die das Internet ja in der Tat bietet. Der Autor, die Autorin könne veröffentlichen, was er/sie wolle und die Rechte an den Texten blieben bei den Urhebern. Feine Sache, aber wo ist das Lektorat, wo ist die Presse? Gut, man kann sich der Dienste freier Lektoren bedienen, allerdings machen die den Job auch nicht umsonst. Und die Presse? Fehlanzeige. Kein Journalist wird sein Augenmerk auf das Buch eines Selfpublishers richten. Und, mit Verlaub, wer glaubt schon den 5-Sterne-Amazon-Besprechungen für E-Books von Selfpublishern. Auch scheint es mir kein vielversprechendes Geschäftsmodell zu sein, sein E-Book bei Amazon für € 0,99 zu verscherbeln, mal ganz abgesehen von der Geringschätzung der eigenen Leistung. Diese E-Books dienen aber möglicherweise als Marketingmaßnahme in eigener Sache; auf dass das nächste Buch bei einem bösen Verwerter erscheint, der dann im besten Fall sogar einen Vorschuss bezahlt.

Lektorat, Presse und Propaganda

In guten Verlagen ist das Lektorat die Seele des Geschäfts. Ohne Lektorat kein guter Text und kein gutes Programm. Ich möchte keine Texte lesen, die nicht lektoriert sind, auch nicht von vermeintlich anerkannten Autorinnen und Autoren. Aber solche Autoren sind bei den Selfpublishern ohnehin nicht zu finden. Und ich kenne keinen Autor, der seinem bösen Verwerter den Rücken kehren würde um seinen Kram ab sofort alleine zu machen. So hat er nur einen Ansprechpartner, seinen „Verwerter“, den Verlag. Als selbst publizierender Einzelkämpfer hätte es unser Urheber plötzlich mit unzähligen potentiellen und tatsächlichen Partnern zu tun. Welcher Künstler will das schon? Andererseits ist ein Debütant heutzutage in der Pflicht, in eigener Sache zu trommeln, selbst wenn er einen Verlag gefunden hat. Wer mit seiner ersten Publikation auf Seite 18 der Verlagsvorschau erscheint, kann nicht davon ausgehen, dass der Verlag noch groß die Werbetrommel rührt und für unseren Debütanten viel Geld in die Hand nimmt. Aber um die Publikation und den Vertrieb muss er/sie sich nicht mehr kümmern. Vielleicht gelingt es dem Verlag auch, eine Lesereise zu organisieren und die Presseabteilung macht ein paar Journalisten auf den Debütanten aufmerksam, wer weiss. Aber die Propagandamaschine muss der hoffnungsfrohe Autor schon selbst anwerfen und sich dazu in das sog. „Social Web“ begeben. Ausreden wie „dafür hab ich keine Zeit“ oder „das bringt doch nichts“ gelten da nicht. Die Zeit muss man sich nehmen und dann bringt es auch was. Es gibt genügend Beispiele auch renommierter Autorinnen und Autoren, die ein eigenes Blog pflegen und Twitter, Facebook und Co. trefflich für sich selbst zu nutzen wissen. Verlage sollten ebenfalls in der Lage sein, jungen Autoren den Umgang mit den neuen Medien schmackhaft zu machen nach dem Motto: „OK, wir drucken Dein Buch, setzen es in die Vorschau, unsere Vertreter stellen es dem Handel vor und vielleicht gelingt es uns, die eine oder andere Lesung für Dich zu organisieren. Und selbst wenn Dein Buch sich nicht so gut verkauft, freuen wir uns auf Dein nächstes Manuskript, denn wir glauben an Dich (so etwas nennt man Autorenpflege). Den Rest musst Du aber selber machen und dabei unterstützen wir Dich gerne“. Allerdings kenne ich keinen Verlag, der sich diesen Servicegedanken schon zu eigen gemacht hätte.

Sollte die Autorin, der Autor, mit dem Verlag, der sein Debüt veröffentlicht hat, aus irgendwelchen Gründen unzufrieden sein – was durchaus vorkommt – wird sie/er sich einen anderen Verlag suchen. Die Alternative wird nicht sein, zu sagen: Na gut, dann mache ich meinen Kram jetzt alleine. Auch würde mich mal interessieren, wieviele der sog. Selfpublisher sich lieber doch in die Klauen eines dieser bösen Verwerter begeben würden.

Raubdrucke – das große Geschäft

Ich bin jetzt ein bißchen abgeschweift, aber irgendwie hängt ja alles mit allem zusammen. Urheberrechtsverletzungen gibt es, seit es ein einheitliches, international gültiges Urheberrecht gibt. Wenn man in den siebziger-achtziger Jahren, z. B. in Berlin-Kreuzberg in eine Kneipe ging, konnte man sicher sein, dass irgendwann im Laufe des Abends jemand mit einem Arm voller Raubdrucke vorbei kam. Anfangs waren das noch politische Texte, die für den antiautoritären politischen Kampf für wichtig gehalten wurden, Texte von Bakunin oder Landauer etwa. Diese Bücher waren oft verboten oder nirgendwo sonst zu bekommen. So war George Batailles Schrift „Das Blau des Himmels“ eine zeitlang ausschließlich als Raubdruck erhältlich, ebenso wie Klaus Manns „Mephisto“-Roman. Manch einer dieser Raubdrucke ist sogar zu einem begehrten Sammlerartikel geworden, Arno Schmidts „Zettel`s Traum“ etwa.

Es dauerte aber nicht lange bis sich die fliegenden Händler auf ein besser verkäufliches Sortiment spezialisierten. Die Bakunins, Landauers und Batailles wurden ersetzt durch Umberto Eco, Isabel Allende und Michael Ende. Die Politik wurde vom Kommerz verdrängt. Und das Geschäft lief gut. Nie habe ich es erlebt, das die Raubdrucker eine Kneipe verließen, ohne nicht mindestens 3-4 Bücher verkauft zu haben. Immerhin, es wurde offenbar gelesen. Meine Umgebung musste sich allerdings meine Tiraden gegen diese schamlosen Geschäftemacher, diese „Diebe geistigen Eigentums“ anhören.

Geklaute Musik

Heute allerdings gehöre ich auch zu diesen „Dieben“. Nicht was die Literatur angeht, ich habe (noch) keinen eReader und fliegende Händler mit einem Arm voller Raubdrucke habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen. Was aber die Musik angeht, so ist mein Umgang mit geistigem Eigentum doch deutlich lockerer.

Ich habe noch nie einen Song illegal aus dem Netz gezogen. Allerdings habe ich einen Freund, nennen wir ihn „Jott“, der das durchaus tut. „Jott“ ist ein Maniac, sein Flur ist gesäumt von stabilen Metallregalen, darin reihen sich ca. 10000 LPs aneinander, eine Ecke des Wohnzimmers wird dominiert von kleineren Regalen, die ein paar tausend CDs beherbergen. Und dann gibt`s da noch die externe Festplatte. „Jott“ hat das größte Musikarchiv, das ich kenne. Wenn ich ihn 2-3 mal jährlich besuche kann ich mich selten, nein nie, beherrschen. Mein USB-Stick ist immer voll, wenn ich „Jott“ verlasse. Einen Großteil dieser geklauten Musik kenne ich nicht und hätte ich daher auch nicht gekauft, es sind also Entdeckungen. Gerne folge ich dabei „Jotts“ Empfehlungen. Musik, die ich nicht kannte, weil sie im Radio nicht vorkommt oder weil mich niemand darauf aufmerksam gemacht hat. Musik, die ich dann kaufe, auf Vinyl (jawoll) oder als MP3. All das ändert nichts an der strafrechtlichen Relevanz, aber ohne „Jott“ hätte ich viele Sachen niemals kennengelernt und würde kein Geld für Platten oder Konzerte der jeweiligen Musiker ausgeben. Ich gebe jetzt nicht weniger Geld für Musik aus als früher, ohne „Jotts“ Fundus, eher im Gegenteil. Und die Musik, die ich jetzt gespeichert habe, hätte ich mir niemals kaufen können und wollen. Allerdings gehören körperliche Tonträger ohnehin bald der Vergangenheit an. Vielleicht gibt es noch ein paar Nerds, die Platten aus Erdöl kaufen, aber das Gros der Musik wird künftig wohl über Streaming-Dienste gehört, bei denen man für ein paar Euro im Monat Zugriff auf ein Musikarchiv erhält, gegen das das von „Jott“ Pipifax ist. Damit hätte sich dann auch das Problem mit illegalen Downloads erledigt.

Also, auch ich gehe eher leger mit dem Urheberrecht, das ich verteidige, um. Wenn man sich dann auch regelmäßig bei Twitter, Facebook und Co rumtreibt, verletzt man das Urheberrecht sowieso ständig, auch wenn man das oft gar nicht so genau weiß.

Und wenn ich ab und an mal eine Anthologie herausgebe, bei der die Vorgabe des Verlags aus Kostengründen lautet, einen Großteil der Geschichtensammlung mit gemeinfreien Texten zu bestücken, dann ärgert es mich schon gelegentlich, auf den einen oder anderen Text verzichten zu müssen, weil die Siebzig-Jahres-Frist noch nicht verstrichen ist.

Wenn ich also auf die drei Kategorien der „Zeit“ zurückkomme, dann gehöre ich wohl zu den sog. „Moderatoren“. Irgendwas muss sich ändern und das liegt zwischen „Alles bleibt wie es ist“ und „Ersatzlos streichen“.

Ab jetzt ist Ruhe.

Der Roman der Namenlosen.

Es wimmelt von Prominenten in diesem Roman der Namenlosen, alle hinreichend entschlüsselt in den zahlreichen Rezensionen, die dieses Buch erfahren hat. Der Roman heißt „Ab jetzt ist Ruhe“ und ist das Debüt der Radiomoderatorin Marion Brasch. Die Autorin ist die letzte Überlebende einer außergewöhnlichen Familie, in der sich die Geschichte der zweiten Hälfte des vorherigen Jahrhunderts spiegelt, wie in nur wenigen anderen. Und so hat Marion Brasch ihrem Buch den Untertitel „Roman meiner fabelhaften Familie“ gegeben. Roman also und nicht Biographie. Die Form des Romans hätte ihr mehr Freiheit beim Schreiben gelassen, sagt Marion Brasch, eine Freiheit, die dem Buch gut tut. Und deshalb auch der Verzicht auf Namen. Keine realen Personen sollten für ihre erfundenen Geschichten in Haftung genommen werden.

Es wird gerätselt, wer denn nun die eigentliche Hauptfigur in diesem Roman sei, der ältere Bruder, Thomas, oder der Vater. Vielleicht kann man sich ja darauf einigen, dass die Autorin selbst die Hauptfigur dieses Romans ist. Schließlich ist er aus der Ich-Perspektive geschrieben.

Marion Brasch ist in der DDR aufgewachsen, dem Land, in das ihre Eltern nach dem Krieg aus dem Londoner Exil gingen. Der Vater, Jude, hat nach einem kleinen Umweg über den Katholizismus zum Kommunismus gefunden und wollte helfen, den Sozialismus in Deutschland aufzubauen. Die Mutter, Wiener Jüdin, folgte widerwillig. Der Vater wurde Funktionär der Partei und später stellvertretender Kulturminister. Partei und Staat gingen ihm über alles, auch über die eigene Familie. Als der älteste Sohn, Thomas, 1968 gegen den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei protestiert, wird er vom eigenen Vater denunziert und landet im Gefängnis.

Es wird viel gestorben in der Familie Brasch. Marion ist zehn Jahre alt, als ihre geliebte „Oma Potsdam“, die Mutter des Vaters, stirbt. Bei ihr durfte sie immer solange auf bleiben wie sie wollte, Westfernsehen schauen und für die Oma Zigaretten drehen. Zigaretten sind ständig präsent in der Familie Brasch, der Vater ist praktisch nie ohne Zigarette anzutreffen. Überhaupt wird ständig geraucht und gesoffen in diesem Buch, es ist normal.

Drei Jahre nach dem Tod der Großmutter unternimmt der Vater einen Selbstmordversuch. Ein unlösbarer Konflikt mit der Partei treibt ihn zu diesem verzweifelten Schritt. Marion entdeckt den Abschiedsbrief und kann so den Suizid verhindern.

Ein Jahr später, Marion ist vierzehn, stirbt die Mutter an Krebs. Ein schmerzhafter Verlust für die Tochter, die fortan alleine mit dem Vater lebt. Nur vier Jahre nach der Mutter stirbt auch der mittlere Bruder, der Schauspieler Klaus Brasch. Er hat sich buchstäblich zu Tode gesoffen. Kurz vor seinem Tod reüssierte er noch als stets besoffener Saxophonist im DEFA-Klassiker „Solo Sunny“.

Für den Vater ist die Tochter die letzte Hoffnung. Die Brüder haben sich schon lange von der DDR und der Partei abgewandt, Marion hingegen wird Mitglied der Partei, ihrem Vater zuliebe. Und als sie sich gegen ein Studium und statt dessen für eine Ausbildung zum Schriftsetzer entscheidet, ist der Vater stolz auf seine Tochter. Als Parteimitglied und Teil des Proletariats scheint sie seine Hoffnungen zu erfüllen. Sie rebelliert nicht gegen den Staat, eher gegen den Vater. Sie fordert das Recht auf ein eigenes Leben, ein Leben mit Freundinnen und Freunden, mit Party, Musik und Spaß. Ihre Freundinnen und Freunde, ihre Männer, werden mit Vornamen benannt. Aber man darf zweifeln, ob dies die richtigen Namen sind – es ist auch egal. Der Soundtrack zu ihrem Leben stammt unter anderem von Pink Floyd, Jimi Hendrix, Janis Joplin, den Stones, Bob Dylan, AC/DC, Neil Young, David Bowie, Frank Zappa und John Lennon. Die Hose heißt Levi`s. Obwohl Marion Brasch später selbst Mitglied einer Band ist – sie spielt Gitarre und singt – und durch die DDR tingelt, spielt Popmusik aus der DDR keine Rolle.

Marion Brasch liebt John Lennon. Eines Tages verfolgt sie sogar einen fremden Mann, der Lennon ähnlich sieht, traut sich aber nicht, ihn anzusprechen. Sie hat bereits eine eigene Wohnung, als folgendes passierte: „An einem Tag im Dezember spielte der amerikanische Sender nur noch John Lennon. Der Moderator hatte Tränen in der Stimme. Ich saß in meiner Wohnung und konnte es nicht fassen.“ (S. 216). Es ist der 8. Dezember 1980, Marion Brasch ist neunzehn Jahre alt und ihre Trauer um Lennon teilt sie mit Millionen anderer ihrer Generation in der ganzen Welt.

Marion Brasch hat ein pragmatisches Verhältnis zu ihrem Land. Dass sie nach Ungarn fahren muss, um Ihren Bruder Thomas, der mittlerweile, nur ein paar Kilometer entfernt, in West-Berlin lebt, treffen zu können, wird so kommentiert: „Ja, es war absurd, doch so war es nun einmal.“ (S. 169)

Braschs Vater stirbt ebenfalls an Krebs, im Oktober August 1989. Den Mauerfall erlebt er nicht mehr, statt dessen richtete die sterbende DDR ein letztes Mal ein Staatsbegräbnis aus.

Der älteste und der jüngste Bruder, Thomas und Peter, sterben beide 2001, erst Peter und ein halbes Jahr später Thomas. Marion Brasch ist die letzte ihrer Familie.

Eine Person, die in Braschs Leben eine entscheidende Rolle spielte, ist Lutz Bertram, der blinde Moderator. Bertram war ein landesweit bekannter Radiomoderator des Jugendsenders DT 64. Nach dem Mauerfall erreichte er auch im Westen, besonders aber in Berlin-Brandenburg als Moderator bei Radio Brandenburg einen gewissen Kultstatus. Als er 1995 als Stasi-IM enttarnt wurde, war der Skandal, das Entsetzen und die Enttäuschung groß. Er hatte der Stasi Berichte über die DDR-Musikszene geliefert und musste daraufhin den Sender verlassen. Marion Brasch lernte ihn während einer Tournee mit ihrer Band kennen. Bertram holte Brasch zum Radio und da ist sie heute noch.

Angesichts dieser tragischen Familiengeschichte wird Marion Brasch gelegentlich der angeblich allzu lockere Erzähltstil und die fehlende Kritik an den Verhältnissen in der DDR zum Vorwurf gemacht, und mit Oberflächlichkeit verwechselt. Als ob eine Geschichte glaubwürdiger würde, wenn sie in bedeutungsschwerem Ton Kritik an den herrschenden Verhältnissen übte. Es war nicht ihr Anliegen ein Buch über die DDR zu schreiben, sie wollte ein Buch über ihre Familie schreiben – und über sich. Und das ist ihr ganz wunderbar gelungen.

P.S. Bemerkenswert ist, wie Marion Brasch sog. Social-Web-Anwendungen nutzt, um für ihr Buch zu werben. Sie hat ein eigenes Blog, twittert regelmäßig und ist auf Facebook präsent. Für „Ab jetzt ist Ruhe“ gibt es eine eigene Fan-Seite auf Facebook. Hier öffnet sie auch mal ihr Fotoalbum und präsentiert Familienfotos, immer mit dem entsprechenden Zitat aus dem Buch und der Seitenangabe, wo es zu finden ist. Außerdem werden immer aktuelle Rezensionen, Streams, TV-Beiträge verlinkt und Fotos von Lesungen veröffentlicht. So bietet sie durchaus einen interessanten Mehrwert zum Buch. Viele Autoren können sich in Sachen Selbstvermarktung an Marion Brasch ein Beispiel nehmen.

Der Stellvertreter Brechts auf Erden – in Memoriam Wolfgang Jeske

Die schwierigsten Kundenfragen in meinem zwanzigjährigen Buchhändlerleben betrafen immer Bertolt Brecht – wo ist dieses Gedicht zu finden, in welchem Band steht jenes Stück, wo diese Erzählung? Es war die Zeit der Papierrecherche, des „Verzeichnis Lieferbarer Bücher“, VLB, in mehreren Bänden. Internet gab es noch nicht und das VLB nannte nur die Titel der Bücher, nicht aber deren Inhaltsverzeichnis. Kurz, es war eine ewige Sucherei, wenn man seinen Brecht nicht im Kopf hatte. Ich war froh als ich in der Buchhandlung irgendwann nur noch mit Krimis und Comics zu tun hatte – da blieben mir die elenden Brecht-Fragen erspart.

Das änderte sich, als ich anfing bei Suhrkamp zu arbeiten, dem Verlag Bertolt Brechts. Dann kamen sie wieder, die Brecht-Fragen. Jetzt stammten sie aber von Buchhändlern, die mit denselben Fragen der Kunden konfrontiert waren wie ich in meiner Zeit als Buchhändler. Und doch war es bei Suhrkamp ungleich einfacher, diese Fragen zu beantworten. Bei Suhrkamp gab es ein Brecht-Lektorat, und das wurde geleitet von Wolfgang Jeske, dem „Stellvertreter Brechts auf Erden“, wie ich ihn bald für mich nannte. Wolfgang Jeske hatte seinen Brecht im Kopf, er hat die 30-bändige Brecht-Ausgabe betreut. Viele telefonische Fragen nach versteckten Brecht-Texten beantwortete ich dann auch mit: „Einen kleinen Moment bitte, ich verbinde Sie mit dem Stellvertreter Brechts auf Erden.“ Immer wurden die Fragen schnell und korrekt beantwortet. Wenn er etwas nicht auf Anhieb wusste, was selten vorkam, versprach er zügigen Rückruf. Dieser ließ nie lange auf sich warten.

Wolfgang Jeske war ein kleiner, schmächtiger Mann mit schütterem Haar. Er trug immer dunkle Stoffhosen, Hemd und Strickweste. Darin wirkte er, als müsse er noch reinwachsen. Bei offiziellen Anlässen kleidete er sich auch mal mit seinem grauen Anzug. Auch dieser war ihm zu groß. Man hatte Angst, Wolfgang Jeske könnte eines Tages immer weniger werden und verschwinden, einfach so. Aber Wolfgang Jeske war stets präsent, sei es als Brecht-Lektor, als Betriebsrat, dem er all die Jahre angehörte, in denen ich bei Suhrkamp arbeitete oder als Verwalter der Sozialkasse des Verlags. Im November versäumte er es nie, die Kolleginnen und Kollegen per Aushang auf eventuell noch einzureichende Arztrechnungen hinzuweisen bevor diese verfielen. Kurz, Wolfgang Jeske kümmerte sich um seine Kolleginnen und Kollegen und diese mochten und schätzten ihn.

Morgens konnte man ihn oft vor dem Eingang treffen, neben sich den karrierten Einkaufstrolley mit dem er seine Arbeitsunterlagen transportierte. In der Hand die unvermeidliche Zigarette, die noch zu Ende geraucht werden musste, bevor er den Verlag betrat. Freundlich schenkte er jedem zur morgendlichen Begrüßung sein verschmitztes Lächeln.

Gut kann ich mich erinnern, wie Jeske mir einst die berühmte Bibliothek im Keller der Unseld Villa in der Frankfurter Klettenbergstraße zeigte. Hier standen sie alle, die Bücher die der Verlag im Laufe seiner Geschichte publiziert hatte, in jeder Ausgabe und immer in der Erstauflage. Tausende Bände in großen Rollregalen, das Gedächtnis des bedeutendsten Verlages der deutschen Nachkriegsgeschichte. Niemand, außer Siegfried Unseld, kannte diese Bibliothek besser als Wolfgang Jeske und seine Augen leuchteten als er sie mir zeigte. Hier hatte er Monate und Jahre zugebracht um für das fünfzigste Jubiläum des Verlags im Jahre 2000 die Suhrkamp Bibliographie zu betreuen und zu bearbeiten. Fünfzig Jahre Suhrkamp-Geschichte in einem Band, ein Schatz und ein unverzichtbares Nachschlagewerk, dass es jedem Buchhändler ermöglichte auch noch entlegenste Brecht-Texte zu finden. Dieses Werk war Wolfgang Jeskes Verdienst und wir nannten die Bibliographie bald nur noch den „Großen Jeske“. Diese umfassende Bibliographie ist erst zwei Jahre nach dem 50. Jubiläum des Verlages erschienen, am 21.10.2002. Fünf Tage später starb Siegfried Unseld. Noch im Sterbebett konnte der Verleger sein Vermächtnis, die Bibliographie seines Lebenswerkes, in Händen halten. Ein größeres Geschenk hätte Wolfgang Jeske dem sterbenden Verleger nicht machen können.

Als der Verlag Anfang 2010 von Frankfurt nach Berlin zog, folgte ihm Jeske. In der letzten Zeit arbeitete er im Pressearchiv des Verlags. Über dreißig Jahre hat Wolfgang Jeske für den Suhrkamp Verlag und Bertolt Brecht gearbeitet, mehr als die Hälfte seines Lebens.

Am 11. Februar 2012 ist Wolfgang Jeske unerwartet in einem Berliner Krankenhaus gestorben. Er wurde sechzig Jahre alt.

Der Artikel erschien unter dem Titel – „Brecht`s Deputy on Earth“: Wolfgang Jeske in Memoriam – in The Brecht Yearbook 37, The International Brecht Society, University of Wisconsin Press 2012

Radfahren mit David Byrne

David Byrne ist ein vielbeschäftigter Mann. Der Endfünfziger ist Musiker, ehemals Mastermind der Talking Heads, Produzent und bildender Künstler. Diese Tätigkeiten führen ihn rund um die Welt, zu Konzerten und Ausstellungen. Und er ist Flaneur, ein moderner Flaneur, einer mit dem Fahrrad. Byrne ist leidenschaftlicher Radfahrer und so hat er sein Faltrad auf allen seinen Reisen in die Metropolen der Welt dabei.
Er nimmt uns unter anderem mit nach Berlin, New York, Manila, San Francisco, London, Sydney, er fährt Rad in Städten, in denen das sonst niemand tut, wie z. B. in Istanbul und Buenos Aires. Seine Begründung ist einleuchtend: […] ich schätze die Fahrradperspektive und die Freiheit offenbar mehr, als mir klar ist. Ich bin süchtiger, als ich mir eingestehe (S. 163). Auf all diesen Erkundungsfahrten tut er das, was ein Flaneur so tut – er beobachtet und denkt nach. Diese Gedanken und Beobachtungen hat er jetzt aufgeschrieben und so ist David Byrnes Buch „Bicycle Diaries“ voll mit seinen Erkenntnissen zu Architektur, Stadtplanung, Gentrifizierung, Verkehr und natürlich Kunst und Musik. Das sind keine revolutionären, nie gehörte Gedanken, aber es sind Gedanken, die vielleicht nur ein Radfahrer haben kann. Der Radfahrer ist aufmerksamer, sieht mehr und nimmt mehr wahr, als Autofahrer mit ihrem begrenzten Blick. Des Radfahrers Nase umweht der Wind der Freiheit. So bleibt auch der Kopf frei.
Natürlich kann man Byrne nur zustimmen, wenn er in Istanbul das Verschwinden ganzer Stadtviertel mit ihren Holzbauten zugunsten „moderner“ Bauten im Stil einer „globalen Architektur“ beklagt. Einer Architektur, die auf lokale und historische Gegebenheiten keine Rücksicht nimmt und die überall auf der Welt anzutreffen ist. Ebenso spendet man leise Applaus, wenn er, angesichts des Niedergangs der Stadt Detroit und der Krise des Autokonzerns General Motors, empfiehlt, das komplette Management gegen Manager aus Japan und Korea auszutauschen – die wüssten wenigstens, wie man sparsame Autos baut.
In Buenos Aires trifft Byrne, nicht unerwartet, auf dasselbe Phänomen wie in New York und vielen anderen Metropolen der Welt – Gentrifizierung. Leute mit kleinen Einkommen, Künstler, ziehen in die Vorstädte, weil sie die steigenden Mieten in den Innenstadtbezirken nicht mehr aufbringen können. Und natürlich begegnet ihm der Tango, dem im Buenos Aires Kapitel naturgemäß viel Platz eingeräumt wird. Und ihm begegnet der Fußball, indirekt. Im Fernsehen läuft das WM Spiel Mexiko gegen Argentinien – und so hat Byrne für eine gewisse Zeit die Stadt fast für sich alleine.

Man fragt sich was, um alles in der Welt, jemand veranlassen könnte, nach Australien zu reisen, wenn man Byrne nach Sydney folgt und seinen Schilderungen der feindlichen Flora und Fauna des Landes, die ihn daran erinnert, dass die Menschen der Natur schnuppe sind (S. 208). Nicht so David Byrne, nach vielen Besuchen hat er den Kontinent lieben gelernt, nicht zuletzt deshalb, weil es sich in seinen Städten so trefflich Radfahren lässt.
Berlin scheint Byrnes Fahrradparadies zu sein. Er ist entzückt von den vielen Radfahrern, den guten Radwegen und der Disziplin und Rücksichtnahme, die Fußgänger, Autofahrer und Radfahrer aufbringen. Selbst an roten Ampeln blieben alle stehen. Jeder, der schon mal in Berlin Rad gefahren ist, weiß, dass dem nicht so ist. Aber vielleicht entsteht dieser Eindruck, wenn man meist in New York mit dem Rad unterwegs ist. Es sei ihm verziehen. Verglichen mit den anderen Metropolen der Welt, in denen David Byrne mit dem Rad unterwegs war, ist Berlin wahrscheinlich schon so etwas wie ein Fahrradparadies. Verzeihen wollen wir ihm auch, dass er aus dem, mittlerweile abgerissenen, Palast der Republik das Hauptquartier der SED macht und ihn auch gleich noch an den Alexanderplatz verlegt.
Das letzte Kapitel ist David Byrnes Wohnort New York gewidmet, einer Stadt, die sich langsam für Radfahrer öffnet. Immer mehr Radwege werden angelegt und immer mehr New Yorker nutzen das Rad, nicht nur die wagemutigen Fahrradkuriere. Byrne hat für seine Stadt verschiedene Fahrradständer entworfen, immer entsprechend dem Ort, an dem sie aufgestellt werden sollen. Ein solcher Ständer in Form eines Damenschuhs steht z. B. vor einem Luxuskaufhaus, für Greenwich Village hat er einen gitarrenförmigen entworfen, für die Bowery eine Flasche. Alle sind Unikate, kleine Kunstwerke, die das Image des Fahrrads verbessern helfen.
Im Epilog beschäftigt sich der Autor noch mit der Zukunft des Verkehrs, die er naturgemäß im Fahrrad sieht. Er führt unter anderem positive Beispiele aus aller Welt an, in denen sich Städte, wie z. B. Bogotá oder auch Paris bewußt für eine Förderung des Radverkehrs entschieden haben, mit guten Erfolgen.
Byrne fährt nicht Rad, weil es ökologisch und vernünftig ist, sondern hauptsächlich, weil es mir ein berauschendes Gefühl von Freiheit vermittelt (S. 330). Und: Es ist das befreiende Gefühl – das physische und psychische Empfinden -, das überzeugender ist als jedes praktische Argument. Allein die Perspektive, die der Höhe von Fußgängern, Straßenverkäufern und Schaufenstern entspricht, verbunden mit einer Fortbewegungsweise, bei der man sich nicht ganz vom Straßenleben ausgenommen fühlt, ist pures Vergnügen (S. 349). David Byrne ist also Radfahrer aus Vergnügen und daher kommt sein Buch auch ohne jeden moralischen Zeigefinger aus.
Es macht Spaß mit David Byrne durch die Metropolen der Welt zu radeln und seinen wachen, witzigen und klugen Gedanken zu folgen, den Gedanken eines Flaneurs, eines Flaneurs auf dem Fahrrad.

David Byrne, Bicycle Diaries, aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011

In Memoriam Tristan Egolf

Am 16. Mai 2003 war der junge amerikanische Autor Tristan Egolf im Studio des Frankfurter Mouson Turms zu Gast. Begleitet und vorgestellt wurde er von dem damaligen Suhrkamp-Verlagsleiter Günter Berg und Egolfs Übersetzer und Freund, Frank Heibert. Egolf selbst, ein sympathischer, ruhiger, junger Mann mit kurzen Haaren, schaute freundlich ins Publikum, machte aber den Eindruck, als fühle er sich sich bei dieser literarischen Veranstaltung etwas fehl am Platz.

Im Jahre 1998 erschien im renommierten französischen Verlag Gallimard das erste Buch Egolfs „Lord of the Barnyard“ (dt. Monument für John Kaltenbrunner, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000). In den USA hatte sich kein Verlag für den Roman interessiert, was allerdings nicht weiter wundert. Egolfs Stil hat nichts zu tun mit jener geschmeidigen Creative-Writing-Gefälligkeit, die bei jungen amerikanischen Autoren so weit verbreitet ist – er schreibt rauh, schnell, hart und doch sehr kunstvoll. In einem anderen Ton lassen sich die Geschichten Egolfs auch nicht erzählen. Es sind Geschichten von Aussenseitern, Nonkonformisten, Unangepassten, Menschen, die das spießige Gefüge ihrer Umgebung durcheinanderbringen.

Egolf selbst war so ein Underdog, ein politischer Aktivist, der sich gegen den Irakkrieg und Präsident Bush engagierte und ein Punkmusiker, der obskure Undergroundbühnen in Philadelphia bespielte. Er tingelte als Straßenmusiker durch Europa und dort wurde die Tochter des französischen Autors Patrick Modiano auf ihn aufmerksam, die Kaltenbrunner erfolgreich an Gallimard vermittelte. Es folgte ein kleiner Welterfolg und in Deutschland erschien das Buch schließlich bei Suhrkamp.

Monument für John Kaltenbrunner war ein großer Erfolg und mit diesem Debut hat Egolf einen Maßstab gesetzt, dem er in den folgenden Büchern nicht mehr ganz gerecht werden konnte. John Kaltenbrunner ist ein Held, schon in jungen Jahren ein Genie und erfolgreicher Geschäftsmann. Das weckte Argwohn bei den „Fabrikratten, Trolls, Schmalzköppen und Methodistenvetteln“, die in einem Kaff namens „Baker“, irgendwo in Pennsylvania, wohnen. Es entwickelt sich eine aberwitzige Geschichte, die vom Kampf Kaltenbrunners gegen den Rest der Welt berichtet und im totalen Chaos endet, atemlos, grotesk, brutal, schreiend komisch und tragisch in einem. Egolf ist nicht der Mann für Happy Ends.

In seinem zweiten Roman „Skirt and the Fiddle“ (dt. Ich & Louise, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2003), jagt er den talentierten aber gescheiterten Musiker Charlie Evans und seinen Kumpel Tinsel Greetz zur Rattenjagd durch die Kanalisation von „Philz Town“ (Philadelphia). Mit diesem Drecksjob läßt sich am meisten Kohle verdienen, Kohle, die Charlie dringend braucht, um das verhasste „Philz Town“ endlich verlassen zu können. Nachdem er das erste Rattengeld in einer ausschweifenden Nacht versoffen hat, erwacht Charlie in der Luxuswohnung einer Traumfrau, Louise. Wie er da hin gekommen ist, bleibt ihm ein Rätsel. Aber es entwickelt sich eine – ja, Liebesgeschichte, die allerdings eher einer rasenden Achterbahnfahrt ähnelt.

2006 erschien der letzte Roman Egolfs, „Kornwolf“ (Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006). Owen Brynmor, ein gescheiteter Journalist, kehrt wiederwilllig in seine Heimatgemeinde „Stepford“, Pennsylvania, zurück – er will Boxer werden. Um Geld zu verdienen, verdingt er sich als Lokalreporter und recherchiert die Legende vom „Kornwolf“. Dabei trifft er auf den Outsider Ephrahim Bontrager, der durch sein unorthodoxes Verhalten die ganze Gemeinde gegen sich aufbringt, die schließlich zu einer regelrechten Hetzjagd auf ihn aufbricht. Sehr lesenswert und informativ ist das Nachwort, das der Übersetzer Frank Heibert für diesen Roman verfasst hat.

Gehe immer aufrecht, lass dich nicht fertigmachen vom Mainstream, bleib du selbst, das ist die Botschaft Egolfs, „All Hail Discordia“ sein Credo. Er hat es uns in drei wunderbaren Romanen hinterlassen.

Ziemlich genau zwei Jahre nach jenem Abend im Frankfurter Mouson Turm, am 7. Mai 2005, nahm sich Tristan Egolf das Leben. Er war ein Kurt Cobain der Literatur.

Am 19. Dez. 2011 wäre Tristan Egolf 40 Jahre alt geworden.

Bibliografie:

Monument für John Kaltenbrunner (Deutsch von Frank Heibert), Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000 (vergriffen).

Ich & Louise (Deutsch von Frank Heibert), Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003.

Kornwolf (Deutsch von Frank Heibert), Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009